Reformen in Bosnien chancenlos

remy

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AW: Reformen in Bosnien chancenlos

Ja Remy,

das war großes Kopfkino. Hervorragend sprachlich in Szene gesetzt.
Auch von dir wird hier mit einfühlsamen Worten bestätigt,
was wir schon durch unsere Elma über dieses Land wissen.


hier ein paar Berichte aus dem Schoener Reisen Forum, die dich sicher interessieren:

Gastfreundschaft in Bosnien - Forum Schoener-Reisen - Sehen, erleben und berichten

BIH > An der Drina entlang bis Visegrad - Forum Schoener-Reisen - Sehen, erleben und berichten

BiH > Auf dem Weg nach Mostar: Pocitelj - Forum Schoener-Reisen - Sehen, erleben und berichten

BiH Ausflug zum Derwischkloster und zur Bunaquelle bei Blagaj - Forum Schoener-Reisen - Sehen, erleben und berichten

Vielen Dank
Helmut

Hallo Helmut,

vielen Dank für das Kompliment. Hmh, "Kopfkino" war das nicht. Die Finger flogen fast von alleine über die Tastatur... ;)

Wow, das ist ja eine Menge Material zum durchschauen. So richtig was für die trübe Jahreszeit :D

Herzlichen Dank, Remy :D
 
M

Mato

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AW: Reformen in Bosnien chancenlos

Von jemanden zu erwarten,

dass er Bosnien und Hercegovina kennt und versteht, der aber noch nie dort war, ist unzumutbar. Hiermit spreche ich niemanden persönlich an.
Ich war in den vergangenen 5 Jahren mindestens 10 mal in Bosnien, besser gesagt in BiH und in der Republika Srpska.
Ich rate jedem von euch, Bosnien erst einmal zu besuchen, sich vor Ort ein Bild zu verschaffen und dann, die eigene Meinung zu bilden.
Es ist schwer darüber zu sprechen, es ist wschwer das zu verstehen und es ist katastrofal sich vor Ort diese Bilder anzusehen.

Die Verurteilung von Karadzic (wie jemand ihn in seinem Beitrag HERR Karadzic genannt hat) ist nicht mehr so wichtig, wie wichtig das Versagen der Öffentlichkeit, der EU, der NATO, UN, u.a. ist.
Der Verbrecher Karadzic zeigt immer noch, dass er in der Lage ist, das Gericht an der Nase herumzuführen.
Nicht nur dass er von all diesen Verbrechen gewußt hat, nein, er hat diese persönlich befohlen und an diesen teilgenommen.
Eine lebenslange gefängnisstraffe kann und wird nicht, die 30.000 getöteten in Srebrenica wieder lebendig machen. Bitte erinnern sie sich nur an einen Teil der Berichte aus Bosnien über die NATO-Truppen, wobei die Führung dieser Truppen mit den serben zusammenfeierten und den Ochsen am Spieß gegessen haben.

Jetzt schreiben viele "Kenner" über Bosnien, wie das Zusammenleben sein könnte, oder sein sollte. Nach dem Krieg sind alle Generäle.

LG
Mato
 

Titanius Anglesmith

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AW: Reformen in Bosnien chancenlos

Hallo Mato,

exzellenter post.
Ich stimme Dir vollkommen zu!

Gruss T:A:
 

remy

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AW: Reformen in Bosnien chancenlos

hallo,

hier ein hinweis auf einen artikel aus der frankfurter allgemeinen zeitung mit dem titel "vor dem krieg ist nach dem krieg":

Sarajevo: Vor dem Krieg ist nach dem Krieg - Ausland - Politik - FAZ.NET

grüsse

jürgen

Hallo Jürgen,

vielen Dank für diesen Link. Wie ich finde typisch, zu trüber Jahreszeit ein trüber Bericht. Partiell wird auf eine imaginäre "düstere" Stimmung hingewiesen und verbindet in der Summe mit dem Begriff "Krieg". Hmh, der Eindruck soll wohl erweckt werden, wie knapp man wieder vor dem schlimmsten Konflikt steht.

Es liest sich teilweise wachsend dramatisch, aber ist die Stimmung tatsächlich überall so? Darüber ist nichts zu lesen. In einigen europäischen Großstadthinterhöfen gibt es doch ähnliche Szenarien und Visionen... nur daraus gleich einen vermeintlich drohenden kriegerischen Akt abzuleiten, vermag sich der geneigte Leser wohl nicht vorzustellen.

Doch vielleicht mal zurück zu meinen Wahrnehmungen. ...bei jeder Reise nach BiH hielt mich ab der Grenze eine gewisse Spannung wach und aufmerksam. Hier fand ja mal ein wirklicher Krieg statt -nicht zu vergleichen mit einer Zeit bei der Bundeswehr, ob Gefechtsübungen oder Schießstand... nein, Realität pur. Ich hatte die Eindrücke aus Kroatien (Panzersperren im Velebitgebirge, die Ruinen an der Touristenstrecke zu den Plitvicka-Seen und speziell das zerschossene Otocac) nicht vergessen, aber was ich jedesmal nach dem Grenzübertritt bekam, war eine Gänsehaut.

Auf der kroatischen Seite relativ noch farbenfrohe Werbung und pulsierendes Leben, gleich nach dem bosnischen Zollhaus, bettelnde Menschen (den beinamputierten sehe ich schon seit Jahren), fahrradschiebende Gestalten, mit ihren Mitbringseln "von drüben" aus Kroatien, triste Hochhäuser mit teils eingeschlagenen Scheiben, überall eine etwas düstere Stimmung...

Besonders die Strecke ab Slavonski Brod bis nach Derventa hat es da in sich. Über die schwarzen Tafeln vor den Ruinen hatte ich ja schon geschrieben (wobei, in diesem Jahr waren weniger zu sehen). Dann führt diese Straße durch Ortschaften, in denen seit Jahren nichts erneuert wurde, weder die Straße selber noch die Häuser. Dafür aber überall bunt und schön geschmückte Friedhöfe...

OK, vielleicht bin ich da eher als andere ein "Weichei". Aber ich fühle eben, aus einem wirtschaftlich reichen Land kommend und in einem gewissen Wohlstand lebend, eine gewisse Beschämung. Auch darüber, wie es den dort lebenden Menschen -ungeachtet der ethnischen Herkunft- geht und wie sie "verwaltet" werden.

Dazwischen jedoch immer wieder Lichtblicke. Die Jugend ! Besonders sind mir diese zumeist an den Bushaltestellen aufgefallen. Modisch zwar nicht ganz uptodate, aber stets bemüht "cool" und locker zu wirken. Welch ein Gegensatz. Tut sich da was...?!?

Ab Derventa bis nach Doboj weitere Lichtblicke. Immer wieder farbenfroh angestrichene Häuser mit Cafes und mit moderner Bestuhlung [und natürlich überall die Sonnenschirme... ;)] laden zum kurzen Verweilen ein.

Erobert sich gerade die jüngere Generation ein stückweit ihren Platz in der Gesellschaft... ??? Es scheint, sie bringt sich ein und möchte etwas neues, modernes..., Erfolg und Anerkennung, einfach etwas verändern. Denn so wie bisher, ging/geht es ja nicht weiter.

In Gracanica wurde es abgelehnt, dass wir in ein Motel ziehen. Im Wohnzimmer steht schließlich ein ausziehbares Sofa... Widerspruch zwecklos. Nun, nach 13stündiger Autofahrt ist die Lust dazu, ehrlich gesagt, aber auch verflogen.

Unsere Gastgeber (2 EW + 1 Kind) bewohnen ein kleines Häuschen mit 3 Zimmern über 2 Stockwerke verteilt (Bad + SchlaZi oben)..., da rückt man eben ein wenig zusammen.

Die Gespräche wurden in englisch und mit Händen und Füßen geführt. Geht schon irgendwie ;) ...wie ist die Lage und auch ein bisschen politisches bleibt da nicht außenvor. Dazu muss ich sagen, dass das Ehepaar studiert hat und u.a. eine Zeitlang in Österreich lebte.

Und nach diesen Unterhaltungen festigt sich meine Meinung, ganz im Gegensatz zu diesem Zeitungsartikel, dass die Mehrheit der Bevölkerung eben nicht die Konfrontation sucht oder nach einem "ethnisch gereinigten Landstrich..." Im Gegenteil, es wird vermittelt, dass meine Gesprächspartner und auch deren "andersgläubigen" Freunde die Toleranz wollen.

Salopp gesagt, es ist denen wurscht, ob Serbe oder Kroate... es seien alles Menschen die in friedlicher Koexistenz zusammenleben möchten.

Das dieses Ziel nicht über Nacht zu verwirklichen ist, sei allen bewußt. Auch die Notwendigkeit des Umdenkens der s.g. "alten" Generation. Hilfreich wäre es besonders, wenn die Wirtschaft angekurbelt würde und somit der großen Arbeitslosigkeit paroli geboten werden könnte. Dann müßten sich viele Familienväter nicht für einen Hungerlohn in benachbarten Regionen oder Ländern verdingen. Die Mitleser hier stellen sich einmal vor, für Monate getrennt von der eigenen Familie irgendwo im Nirwana herumzuvegetieren...

Nein, hier müßte die EU wesentlich mehr tun, als nur Visa auszustellen und sich weitestgehend aus der innerpolitischen Situation herauszuhalten. Nur abzuwarten, wie sich das biologische Problemchen irgendwie schon von alleine lösen wird ist m.M.n. zu kurzsichtig gedacht. <-- sofern man hier von "denken" sprechen kann.

Aber der Anfang ist getan. Und so bin ich guter Hoffnung, dass sich in absehbarer Zeit "Glasnost und Perestroika" in BiH durchsetzen wird.

Etwas anderes bleibt den Menschen letztlich auch nicht übrig, oder?

Es grüßt in die Runde, Remy :D
 
M

Marius

Guest
AW: Reformen in Bosnien chancenlos

Remy, sag mal, könntest du nicht auch ein paar Reiseberichte schreiben? :)
 

wallbergler

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AW: Reformen in Bosnien chancenlos

remy,
das ist ein wunderbarer Bericht. Das macht Freude. Vielen Dank für deine treffliche Einschätzung, da kann man jede Zeile unterschreiben.
Das Problem mit den Betonköpfen wird es hoffentlich mal nicht mehr geben.
Ich setze auch auf die Jugend
Nochmal danke
Helmut
 

remy

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AW: Reformen in Bosnien chancenlos

Wie, was... das war doch eine Mischung zwischen "Landspezifischer Erfahrung" und Reisebericht.

Oder habe ich das was falsch verstanden? Hatte in den letzten Minuten rasch noch einige Fehler korrigiert und weiß gerade nicht was Du meinst.

Schöne Grüße, Remy -Smilie-
 

wallbergler

Travel Junkie
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AW: Reformen in Bosnien chancenlos

Erobert sich gerade die jüngere Generation ein stückweit ihren Platz in der Gesellschaft... ??? Es scheint, sie bringt sich ein und möchte etwas neues, modernes..., Erfolg und Anerkennung, einfach etwas verändern.

Das habe ich gemeint , volle Zustimmung für die Jugend. Sie wird ja augenblicklich noch von Betonköpfen gebremst oder Korruption.

Helmut
 
E

ELMA

Guest
AW: Reformen in Bosnien chancenlos

Danke remy für Deinen Beitrag!
Ein Beitrag, passend zum Thema " Chancen für Bosnien....."

Du sprichst so vieles an, was ich bei unserem Besuch in BiH( leider erst dem ersten) empfunden habe. ( Wallbergler hat die Links zu meinen Reiseberichten von 2009 ja hereinkopiert)
Das Unwohlsein , die Spannung nach dem Grenzübertritt...
die unübersehbaren Hinweise auf den noch gar nicht lange beendeten Krieg und die schmerzhaften Verluste,
die nationalistischen, ethnisch oder religiös motivierten Signale ( ich habe es weiter oben beschrieben: Schrifttafeln kyrillisch oder auch besprüht, in Mostar das riesige Kreuz auf dem Berg..)
die materielle Not, die Männer zwingt , als Gastarbeiter für 30 Euro pro Tag im auch nicht gerade reichen Montenegro zu arbeiten,

aber auch die überwältigende Gastfreundschaft ( bei Dir war es das ausziehbare Sofa, bei uns das für uns geschlachtete Schaf)
....
auch wir hatten den Eindruck, dass sich die "einfachen" Menschen nur eines wünschen:
Leben in Frieden und einen etwas besseren Lebensstandard.


Gruß,
ELMA
 
M

Mato

Guest
AW: Reformen in Bosnien chancenlos

Neulich habe ich diese WEB-Site gefunden. kolibe.com - Home

Schaut euch den film "dva lica jednog naselja" "zwei gesichter einer ortschaft"
KOLIBE, JEDAN OKTOBERSKI DAN (ein Oktobertag in Kolibe Gornje)

Diese Ortschaft befindet sich nur 6 Km vom Slavonski Brod in Kroatien entfernt, oder 3 Km vom Bosanski Brod in Republika Srpska.
Auf dem Weg dahin, fahren sie an der einst größten Raffinerie in Bos. Brod, wo tausende bis 1991 ihr Brot verdient haben.
Dort beginnt langsam wieder die Produktion, wo nur die Ausgewählten Arbeit bekommen, natürlich nicht die Kroaten und nicht die Muslime.

Kolibe Gornje hatten 1991 1398 Einwohner, 1050 Objekte, 498 Schüler und 95% Beschäftigte.
Heute 2009 wohnen dort 380 Einwohner in 365 Objekte, (alle anderen sind nur schutt und asche) 20 Schüler besuchen die Schule und NUR 10% habe eine Arbeit.

Ich bewundere diese leute dort, ich bewundere ihr Optimismus und ihre Geduld.
Hier ein Spruch eines moslemischen Vaters, der seinen Sohn bewegen will in die schule zu gehen:

"Mein Sohn, wir leben so wie wir können, vater arbeitet überall, wo ich nur arbeit bekommen kann. Manchmal sind es nur 50,- KM (konvertibile Mark 0,50 Euro) am tag. Na und. Ich werde Sch.... fre.... wenn es sein muß, nur damit du die Schule fertigmachst. Ich will nicht, dass noch eine Generation so lebt wie mama und ich"

Jeder von uns kann sich hier eigene Meinung bilden.

LG
Mato
 

Titanius Anglesmith

erfahrenes Mitglied
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AW: Reformen in Bosnien chancenlos

"Mein Sohn, wir leben so wie wir können, vater arbeitet überall, wo ich nur arbeit bekommen kann. Manchmal sind es nur 50,- KM (konvertibile Mark 0,50 Euro) am tag. Na und. Ich werde Sch.... fre.... wenn es sein muß, nur damit du die Schule fertigmachst. Ich will nicht, dass noch eine Generation so lebt wie mama und ich"

Jeder von uns kann sich hier eigene Meinung bilden.

LG
Mato


Ich finde es schon sehr interessant wie und wo die (deutsch)MARK überlebt hat....
 
M

Mato

Guest
AW: Reformen in Bosnien chancenlos

Ich bin mir sicher, T:A:

es gibt noch viele, die auch heute mit DM gerne zahlen würden.

LG
Mato
 
F

Franto

Guest
AW: Reformen in Bosnien chancenlos

Auch in der letzten Ausgabe der "Zeit" war die Zukunft Bosniens ein Thema

Balkan: "Der Krieg ist noch nicht zu Ende" | Politik | ZEIT ONLINE

Da werden die unterschiedlichen Wunsch- und Zielvorstellungen der Führer der Entitäten in BIH deutlich aufgezeigt.

Die Situation, wie sie beschrieben ist, könnte Angst machen.

Gruß,
ELMA

Es wäre auch besser, die "internationale Gemeinschaft" würde - wie bei den vertriebenen Pälästinensern aus Israel oder den Deutschen aus dem Osten - der tatsächlichen Realität ins Auge sehen! Dass BiH als multikulti Gesamtstaat ach so schön wäre, ja. Da m uss man halt nur 1000 Jahre Geschichte ignorieren - und dann geht's schon. Nur das einheimische Personal am Boden fehlt halt dazu.

Individuelle gegenteilige Eindrücke gegenüber Fremden sind nur ein Wünsch-dir-was und vorauseilend die Erwartung der erwünschten Antworten der Fragesteller antizipierend.

Wie war denn das schon unter dem glorifizierten Tito, dessen geopolitisches Geschaukel und innenpolitisches Regime mit westlichen Geldern und sowjetischen Waffen aufrecht erhalten wurde? Es hielt die ganze Jugo-Veranstaltung denn nur so lange, als mit einem all umfassenden politischen und exekutiven Druck die Fiktion von "Einheit und Brüderlichkeit" vorgespielt und im Westen geglaubt wurde. Kaum ließ der innenpolitische Druck angesichts der mangelnden wirtschaftlichen Möglichkeiten zu dessen Finanzierung nach - flog der Glückshafen der "Masters of Versailles" unter allgemeinen Bedauerungs- und feilen Entsetzenskundgebungen im Westen auseinander.

Wenn die EU mit dem ohnedies zu vielen Geld, das sie aus den Nettozahler-Staaten abzockt, sich das Protektorat BiH ad finitum leisten will - so lange regiert halt das Prinzip "Hoffnung" - oder umgekehrt. Die Alternative, nämlich die Auflösung BiH und den Zuschlag der jeweiligen ethnisch von einer Gruppe dominierten Gebiete zu den angrenzenden gleichgerichteten Nachbarstaaten, geht nur deshalb nicht, weil die bosnischen Moslems eine "Inselbevölkerung" zwischen den sie dann umgebenden serbischen, montenegrinischen und kroatischen Nachbarstaaten wären!
 
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