Schriftsprache in Kroatien

burki

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Bibeln aus Württemberg für den Balkan
Warum verwenden Kroaten und Slowenen keine kyrillischen Buchstaben? Weil Hans Ungnad einst in Württemberg Bibeln für den Balkan druckte.

Im Gegensatz zu allen anderen Staaten des früheren Jugoslawien, wo kyrillisch geschrieben wird, verwenden Kroatien und Slowenien die lateinische Schrift. Diese Sonderentwicklung begann in Württemberg: Hier entstand im 16. Jahrhundert die Schriftsprache beider Staaten, und hier wurden die ersten Bücher darin hergestellt. Gedruckt wurden sie 1562/1563 in einer eigens dafür geschaffenen Bibelanstalt in Urach.

Die war von Hans Ungnad von Sonnegg gegründet worden, der seine Heimat in der Steiermark wegen seiner evangelischen Überzeugung verlassen hatte. Im württembergischen Exil wurde er zum Motor für den Druck von Bibeln und reformatorischem Schrifttum für Kroatien und Slowenien. Heute vor 450 Jahren - am 27. Dezember 1564 - ist er gestorben.

Der aus Böhmen stammende Hans III. Ungnad von Weißenwolff, Freiherr von Sonnegg (1493-1564), zeichnete sich im Dienste der Habsburger in den Kriegen gegen die Osmanen (Türken) aus und brachte es bis zum Landeshauptmann der Steiermark und zum Obersten Feldhauptmann im Bereich des heutigen Kroatiens und Sloweniens. Er fand dort zum evangelischen Glauben, gab deshalb 1556 seine Ämter auf und kam über Wittenberg 1558 nach Urach. Dort kam er in Kontakt mit dem ebenfalls im württembergischen Exil lebenden Glaubensflüchtling Primus Truber (1508-1586).

Der hatte es in der römisch-katholischen Kirche bis zum Domherren gebracht, dann aber wegen seiner evangelischen Predigten 1548 aus Laibach fliehen müssen. In Derendingen bei Tübingen verfasste er einen Katechismus, übersetzte die Bibel in seine Muttersprachen Slowenisch und Kroatisch, veröffentlichte 1567 ein neues slowenisches Gesangbuch - und wurde so zum Schöpfer der kroatischen und slowenischen Schriftsprache. Er gilt als der Martin Luther Sloweniens; sein Porträt ziert die dortige Ein-Euro-Münze. Den Druck seiner Schriften ermöglichte Ungnad von Sonnegg: Er gab und beschaffte Geld und richtete in Urach eine "Windische, chrabatische und cirulische Thrukerey" (Slowenische, kroatische und kyrillische Druckerei) ein, die die Truber-Schriften veröffentlichte. In den vier Jahren ihres Bestehens druckte sie 25 Werke in einer Gesamtauflage von 25 000 Stück und brachte nahezu die gesamte protestantische Literatur in kroatischer Sprache im 16. Jahrhundert heraus. Kroatisch wurde damals überall auf dem Balkan gesprochen und verstanden. Die Bibelanstalt musste nach dem Tod von Sonneggs 1564 ihre Arbeit einstellen. Die durch ihn und Truber geknüpften Verbindungen zwischen Württemberg und dem fernen Krain bestanden aber noch lange.

der ganze Artikel: http://www.swp.de/ulm/nachrichten/kultur/Bibeln-aus-Wuerttemberg-fuer-den-Balkan;art4308,2968491
 
M

Marius

Guest
Ist er schuld, dass es keine Glagolica in Kroatien gibt? ;-)

Aber danke für diesen historischen Ausflug, es ist ja für mich einer der wenigen Verdienste der Kirchen, dass sie anfangs die einzigen waren, die Bücher produzierten, zwar mit ungewolltem Ausgang, aber sei's drum ;-)
 

Julija

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Wir waren schon öfters in Bad Urach, aber selten in der Stadt. Am Mittwoch haben wir uns diese einmal genauer angeschaut. Dabei entdeckten wir neben der Amanduskirche, den Mönchshof. Hier gründete dieser damalige Freiherr Hans Ungnad im Stift Urach eine Druckerei.

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In einem schönen Park steht das Denkmal von Primus Truber. 1561-65 wurde hier seine Bibelübersetzung ins slowenische gedruckt. Er gilt daher als Vater der Slowenischen Schriftsprache.

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Auf dieser Gedenktafel sind alle drei erfundenen Schriften aufgeführt

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Die Kirche in der Stadt Urach

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Primož Trubar hieß der Übersetzer mit der Bibel in der Hand. Er hat die Bibel ins slowenische übersetzt.


Antun Dalmatin hieß der kroatische Übersetzer.


Und der protestantische Schriftsteller Stjepan Konzul Istranin


Das heutige Stift Urach ist ein Erholungshotel. Der Kurzurlaub kostet für vier Tage derzeit 375.-. In Bad Urach kann man sich regelrecht erholen. Die Linde in der Mitte lädt zum Verweilen ein. Hier kann man die Seele baumeln lassen.
Vor mehr als 500 Jahren wurde der Bau von graf Eberhard von Württemberg in Auftrag gegeben. Im sogenannten Mönchs hof lebten keine Mönche, sondern Geistliche, Lehrer, in der Fürsorge für Kranke und Arme. Und natürlich, wie schon erwähnt, Übersetzer und Hersteller von Büchern. Alles andere steht in @burki's Beitrag.

Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall! Weitere Infos über Wanderwege, Schloss, Schössle, Urstadt usw. gibt es im Info Center am Stadtrand. Die schicken auch gerne Material in Prospektform zu.
 
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Julija

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Die Wikipedia Info's sind unheimlich interessant. Lohnt sich einen Blick hinein zu werfen.
Zum Beispiel habe ich noch nie von diesem Dialekt gehört:

Kroatisch: Čakavski

 
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