Mirila, die Totenraststätten im Velebitgebirge

E

ELMA

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Im Bereich der Küstenstraße am Fuß des Velebitgebirges finden sich Hinweisschilder auf besondere Plätze, die eine kulturelle Besonderheit der Region darstellen: Mirila, die Totenrastplätze, an dem die Verstorbenen nach dem Glauben der Menschen einen letzten Gruß an die Sonne richten konnten.

Die ältesten stammen aus dem im 17. Jahrhundert.

Ein solcher Platz befindet sich oberhalb von Tribanj

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Weitere sind neben einer schmalen Straße oberhalb von Starigrad-Paklenica.

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Diesen Platz haben wir im August 2012 besucht.
Heute ist die schmale Straße asphaltiert- man kann hinauffahren und hat einen schönen Blick über die Küste, über Starigrad- Paklenica bis hinüber zur Landzunge, die zur Insel Pag führt.

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Hinweisschilder machen auf die Mirila aufmerksam - vermutlich würde man sie in den Felsen sonst sehr leicht übersehen.

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Die Erklärungen und Zeichnungen habe ich den Infotafeln entnommen
( Weil sie auf dem Foto schlecht lesbar sind, gebe ich sie hier wieder)
Mirila Infotafel

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"Zu Zeiten als es noch keine Straßen und Autos gab, hat man in entlegenen Einzelhöfen gelebt und ist dort gestorben.
Wenn der Verstorbene zur letzten Ruhestätte gebracht werden sollte, hat man die Leichen in einen gewöhnlichen "ponjava" ( eine Art Teppich) eingewickelt.

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Auf hölzerner Totenbahre wurde der Verstobene zur ersten Kirche oder zum Friedhof, die manchmal Stunden entfernt waren, getragen.
In einem bestimmten Moment wurde der Leichenzug auf einem ganz bestimmten Platz angehalten, der Verstorbene auf den Fußboden Richtung Osten gelegt und angefangen, neben restlichen Mirila seiner Verwandtschaft das Mirilo zu bauen.

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Den Verstorbenen hat man auf den Fußboden gelegt und hat bei ihm mittels zwei Steinen (einem Schlussstein und der andere zu Füßen) Maß ( Länge) genommen.
Danach setzte der Leichenzug seinen Weg weiter bis zu Kirche oder zum Friedhof fort.
Später wurde an der Stelle, wo der Mirilo des Verstorbenen stand, flache Steinpatten ( bearbeitete oder natürliche) gelegt, die der Länge des Verstorbenen entsprachen.
Der Schlussstein am Kopfende wurde durch einen größeren und gleichmäßigeren ersetzt, während zu Füßen ein kleinerer, unbearbeiteter Stein aufgestellt wurde.
Diese zwei Steine entsprachen dem genommenen Maß des Verstorbenen, sie haben sein "Mira" (Maß) ausgemacht.

Im Velebit war man sehr arm, so waren Friedhöfe besonders bescheiden.
Sehr oft wurde Verstorbene unmittelbar in die Erde gelegt oder in gemeinsame Grabstätten.

Auf diese Weise wurde die Leiche der Erde überlassen.

Mirila wurden mehr als die Gräber auf den Friedhöfen verehrt, weil sie ein Denkmal der Seele, eine Ruhestätte im Felsengebirge waren, aufgebaut in der dauerhaften Steinmaterie.

Bei ihnen hat man sich oft aufgehalten, man hat sie besucht und verehrt, hat Blumen dort gelassen, weil nach dem Glauben der Velebit-Bevölkerung dort die Seelen verstorbener Hirten in Gesellschaft der Seelen ihrer verstorbenen Schaf ausruhten.
Im Grab auf dem Friedhof befand sich nach ihrer Auffassung lediglich "ein Körper, ohne Seele"- diese ist auf dem Mirilo geblieben.

Der Brauch der Mirila ist verschwunden.
Man kann nicht mit Sicherheit feststellen , wann das letzte Mirilo entstanden ist ( ca Mitte des letzten Jahrhunderts)

Bekannt ist , dass das Verschwinden mit der Änderung der Lebensweise zusammenhängt.
Bau von Straßen, Ersetzung der Viehzucht, Landwirtschaft , Fischerei durch Tourismus, ärztliche Behandlung in Krankenhäusern und Ambulanzen, der Tod, der häufig nicht mehr im Familienkreis erfolgte, sind Auslöser für das Verschwinden."


Einige der Steine tragen Zeichnungen ,Ornamente, Symbole, Namen und Jahreszahlen .

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Auf vielen sind Kreuze zu erkennen.

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Der Weg zu diesen Mirila ist von Starigrad-Paklenica aus leicht zu finden.
Im Bereich des Hafens steht unübersehbar an der Küstenstraße ein Hinweisschild.

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Es lohnt sich auch , in der Touristeninformation ( ebenfalls am Hafen) vorbeizuschauen und sich dort ein interessantes Faltblatt zu den Mirila geben zu lassen.

ELMA
 

Klaus

verstorben
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Hallo Elke,

Ruhestätten haben schon immer eine besondere Ausstrahlung auf mich gehabt.
Beim lesen deines Beitrags, kommt der Wunsch auf, bei der nächst besten Gelegenheit, mir so eine Gräberlandschaft im Gebirge anzuschauen.

Dank dir für diese Anregung.
 

kugelfisch63

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Hallo Elke!
Ein toller Bericht abseits der üblichen Touristenpfade. Ich hoffe, ich schaffe es diesen Herbst noch mir das mal anzuschauen. Vielen Dank für die Mühe!
 

baskafan

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Danke Elke !

Dieser Bericht hat mich besonders angesprochen, weil er viel über die Gedankenwelt der Menschen in diesen kargen Regionen aussagt.
Sehr lehrreich und interessant und sehr gut gemacht. Danke
 

Goldie

erfahrenes Mitglied
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18
Guten Morgen Elke,
vielen Dank für Deinen Bericht. Von einer solchen Gedenkstätte haben wir noch nie etwas erfahren, trotz unserer vielen, vielen Urlaube, die wir in YU/Kroatien verbracht haben. Aufgrund Deines Berichtes kommen wir uns vor wie "Kulturbanausen".
LG
Wolfgang & Monika
 

knobi

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Liebe Elke,

dieser Bericht ist mal wieder ein Beispiel für deine unvergleichliche Ortskenntnis (wie findest du diese Stellen nur) und deine Bereitschaft, uns daran teilhaben zu lassen. Danke!

Vielleicht schaffen wir es ja im Herbst dort hinaufzuwandern, auf dem Rückweg von Montenegro.
 
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