Artikel: Fazana und Brioni Inseln

Filip

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Die Brioni-Inseln

Es ist nur ein kleines, vor sich hin träumendes Fischerdorf, aber in Fazana kennt man sich aus mit der großen, weiten Welt. Hoher Besuch wie jener von Prinzessin Caroline von Monaco sorgt unter dem venezianisch wirkenden Kirchturm kaum für Aufsehen. Wenn sie mit ihrer Yacht Pacha III die gegenüberliegende Insel Brioni ansteuert, unterbrechen die Bewohner kaum das Gespräch. Carolines Boot misst ja lediglich läppische 36 Meter . . .

In Fazana ist man andere Kaliber gewöhnt. Ganz klar. Es ist gar nicht so lange her, dass das Schinakl des Außenministers von Katar, die Al Mirquab, im Türkismeer vor der Küste Istriens ankerte. Sein Gardemaß: 84 Meter! Daneben wirkte sogar Lazy Z, die 50-Meter-Yacht der jordanischen Prinzessin Firyal, wie ein niedliches Begleitboot.

Natürlich schippert die Society nicht grundlos zu dem 14-Insel-Archipel in der Adria. Das war noch nie so. Die alten Römer ließen sich auf Brioni Sommerpaläste bauen. Seither ist Exklusivität auf diesen Eilanden Trumpf. Mit Paul Kupelwieser, dem Wiener k. u. k. -Industriellen, verschaute sich anno 1885 erstmals ein Mann mit großen Visionen in jene Inselgruppe, die so nah an der Zivilisation liegt und doch wie aus einer noch unberührten Welt wirkt. Gemeinsam mit einem Marineoffizier im Ruhestand und begleitet von Ruderschlägen der Fischer von Fazana, wollte sich Kupelwieser davon überzeugen, ob sich hinter den Riffs und den Küsten tatsächlich Reste des irdischen Paradieses befinden. Eine Suche, die den ehemaligen Leiter der Eisen- und Stahlwerke im niederösterreichischen Ternitz nicht loslassen sollte. Im Jahr 1893 kaufte er kurzerhand den gesamten Archipel und plante, dort ein luxuriöses Erholungsgebiet zu errichten. Sein Freund Robert Koch, der später mit dem Nobelpreis ausgezeichnete deutsche Bakteriologe, half ihm, Brioni von Sümpfen und der Malaria zu befreien. So wurde der Weg frei für Hotels, Villen, den mit 18 Löchern damals größten Golfplatz Europas und ein Casino.

Um 1900 galten Ferien auf Brioni als das Nonplusultra für die illustre Gesellschaft. Wer hier gastierte, war königlich im dynastischen Sinn wie Kaiser Wilhelm II. und Erzherzog Franz Ferdinand, oder im literarischen Sinn wie Thomas Mann, der hier ein paar Tage ausspannte, bevor er die Arbeit an „Tod in Venedig“ anfing. Was an Entertainment dazumals geboten wurde? Poloturniere, Picknick um Mitternacht, Plantschen im ersten überdachten Schwimmbad Europas – im Hotel Neptun. Die Belle Epoque auf Brioni, ein Sommerspaß in Saus und Braus.

In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg sollen alljährlich 50.000 wohlhabende Besucher gekommen sein. Nach dem Krieg versuchte Kupelwiesers Sohn Karl, Glanz und Gloria vergangener Tage wieder aufleben zu lassen. Doch das ging nur so lange gut, bis die Wirtschaftskrise im Jahr 1930 das Paradies erschütterte.

Haufenweise Hypotheken trieben den Besitzer schließlich in den Selbstmord. Mit Brioni ging’s trotzdem nicht gänzlich bergab. Kurzfristig führte ein Schweizer Konsortium die Geschäfte weiter, dann kam die Insel unter die Verwaltung Italiens. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem die Alliierten fast alle Gebäude und Anlagen zerstörten, ging der Archipel in den Besitz Jugoslawiens über. Die Besucherliste wurde noch exklusiver. Marshall Tito, der neue Präsident, erklärte die Inselwelt 1949 zu seinem inoffiziellen Regierungssitz: „Es ist der Ort, den ich am meisten liebe.“

Wer heute mit der Fähre von Fazana übersetzt und sich im Hotel Neptun, einem Betonblock mit Ostblock-Charme und bestenfalls 3-Stern-Luxus, einmietet, kann also jenes Flair, das einmal der äthiopische Kaiser Haile Selassie, Fidel Castro, Richard Burton und Elizabeth Taylor genossen haben, nachvollziehen. Denn Bonvivant, wie Tito einer war, empfing er auf Brijuni – wie sich die Inseln fortan nannten – fast drei Jahrzehnte lang Staatschefs und Stars aus aller Welt. Politik und Showbiz führten hier ein geselliges Nebeneinander. Auf der Terrasse der noch immer nicht öffentlich zugänglichen Villa Brionka wurde 1956 das Bündnis der Blockfreien Staaten gegründet. Und auf der einzigen Straße, die durch die Hauptinsel führt, chauffierte Tito in einem chromblitzenden Cadillac – ein Präsent von John F. Kennedy – Filmschönheiten wie Sophia Loren spazieren.

Tito starb im Mai 1980 knapp vor seinem 88. Geburtstag. Auf der Insel aber kann man noch heute Wesen antreffen, die schon damals eine Attraktion waren: die Elefanten Sony und Lenka. Als Gastgeschenk von Indira Gandhi kamen sie einst den weiten Weg hierher und sind nach wie vor der Stolz des inseleigenen Zoos. Mit einem Elektrozug werden die Gäste auch an anderen animalischen Staatsgeschenken wie Affen, Antilopen, Bären und Zebras vorbeigeführt. Und auf der großen Wiese gleich hinter dem Hotel macht es sich ein Rudel Rotwild im maritimen Klima bequem.

Erstaunlich, am Ambiente des Archipels hat sich seit Jahrzehnten kaum etwas geändert. Da Brioni seit 1989 Naturschutzgebiet ist, wird auch künftig kein Neubau genehmigt, keine Chance für den Massentourismus also. In Gestalt von Umberto Angeloni, Chef der Nobel-Schneiderei Brioni, hegt neuerdings ein Investor Pläne mit der Insel, die vor mehr als 60 Jahren Namenspatron der italienischen Firma war. „Wir sind keine Marke, sondern ein Lebensgefühl“, ist sein Credo. „Wir machen nicht Mode für die Reichen, sondern für die Mega-Reichen.“ Unter seiner Patronanz soll Brioni wieder zu altem Glanz kommen.

Anfang Juli veranstaltete Angeloni zum zweiten Mal das „Brioni Polo Classic“-Poloturnier auf der Insel. Demnächst sollen die Hotels zu Deluxe-Oasen umgebaut werden. Ein Projekt, das auch vom Präsidenten der istrischen Region unterstützt wird. Tagestouristen sind sicher weiterhin willkommen, die Preise für Hotelzimmer werden aber immens steigen. Also, nichts wie hin, bevor das Leben mit Polo, Politik und Pomp zu teuer wird.

aus kurier.at
 
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