hallo die Damen,
Traudl liegt mit dem Flüchtlingslager für "Deutsche" ganz daneben. Julia ist auf dem richtigen Weg, hat dabei jedoch eine Abzweigung genommen, die in eine Sackgasse führt.
Deswegen werde ich das Rätsel nun vollständig lösen. Es handelt sich hier um eine Gedenkstätte für die deportierte Zivilbevölkerung Südistriens in ein Lager nach Wagna in der Steiermark. Hier erst mal Bilder der Gedenkstätte anläßlich des 100sten Gedenktages an diese Tragödie.
Direkt neben der Straße, die Liznjan mit Medulin verbindet wurde an der Flurgrenze im Jahr 2015 dieser Gedenkstein von beiden Gemeinden errichtet.
Drei Meter hoch und mehrere Tonnen schwer ist die Skulptur, die aus einem Kalksteinblock aus dem Steinbruch in Liznjan an der Budava Bucht stammt. Diesen habe ich euch vor Jahren schon mal vorgestellt.
http://www.adriaforum.com/kroatien/threads/der-steinbruch-valtura-an-der-spitze-istriens.68553/
Leider sind die Inschriften am Sockel auf den Bildern kaum zu entziffern.
Nun frägt sich der unbedarfte Urlauber in Istrien, wieso die Zivilbevölkerung Südistriens im Ersten Weltkrieg deportiert wurde? Von wem?
Istrien war zu Beginn des Ersten Weltkriegs überwiegend von Menschen besiedelt, die den venezianischen Dialekt sprachen. Heute würden wir sagen, es handelte sich um Italiener. Die Kroaten stellten eindeutig die Minderheit. Dazu gehörten auch Österreicher und Ungarn, aber auch Menschen aus anderen Teilen der Donaumonarchie. Diese waren in den Städten beschäftigt, während die Landbevölkerung meist ethnische Kroaten waren.
Somit war klar, daß Südistrien, damals ein riesiges Militärlager, von politisch unzuverlässigen Zivilisten besiedelt war. Da Italien erst am 24.5.1915 gegen Österreich-Ungarn in den Krieg zog und in den Monaten zuvor über 10.000 Menschen aus Triest und Umgebung evakuiert hatte, hätte die verbleibende Zivilbevölkerung ein Problem bis hin zu möglichen Spionage- und Sabotageaktionen gegen Austria sein können.
In Wagna wurde deshalb gleich zu Kriegsbeginn ein relativ komfortables Lager aus dem Boden gestampft welches nun bis November 2015 mit 21.300 "Italienern" belegt wurde. Kleinere Gruppen wurden in andere Internierungslager in Niederösterreich, Böhmen, Mähren und Ungarn untergebracht. Die Arbeiterinnen der Tabakfabrik von Rovinj wurden in österreichische Fabriken gebracht.
Das Lager war eigentlich gut organisiert. Bereits mit Beginn der Belegung standen 120 Baracken mit elektrischem Licht. Das kannten viele Deportiere damals noch nicht. Es gab 22 Großküchen, eine Bäckerei, drei Badeanstalten, fünfzehn Krankenstationen mit 2000 Betten oder auch Schulen für die Kinder.
Deportierte wurden auch aus Friaul oder Slowenien hierher gebracht. Die Menschen wurden je nach Fähigkeiten auch beschäftigt. Arbeitskräfte fehlten, da die Männer an der Front ihren Kriegsdienst leisteten.
Im Juli 1916 durften die ersten Bauern heimkehren. Dies wohl weil die Nahrung im Reich langsam knapp wurde. Zu diesem Zeitpunkt herrschte in Istrien eine Dürre. Als im Herbst 1917 die Italiener in der 12. Isonzoschlacht von deutsch-österreichischen Truppen entscheidend geschlagen wurden, bestand keine Gefahr mehr einer italienischen Invasion in Istrien.
https://de.wikipedia.org/wiki/Zwölfte_Isonzoschlacht
In der Zeit vom 24. bis 27.10.1917 durften die Menschen in ihre Heimat Istrien zurückkehren. Dort erwartete sie nichts Gutes. Die schlecht versorgte Truppe hatte alles brauchbare requiriert. Manches Anwesen war geplündert.
Aufgrund des Geheimvertrags von London zwischen Italien und den kriegführenden Westmächten fiel Istrien nach dem Ersten Weltkrieg an Italien. Die verbliebene kroatische Bevölkerung wurde drangsaliert oder gleich erneut vertrieben.
(Viele der Infos sind dem Buch "Istrien - eine Liebeserklärung an das Land, seine Menschen und seine Kultur" von Alfred, Friederike und Ulrike Goldschmid entnommen)
Den Rest der Geschichte kennen wir ja...
Vielen Dank fürs Mitmachen sagt
jürgen