für die politisch interessierten unter uns wurde heute im ard-journal weltspiegel ein bericht über bosnien gezeigt. darin geht es um die differenzen der bosniaken und kroaten bei der erziehung der kinder. getrennte schulen mit getrennten lehrplänen sind hier anscheinend die regel. für die zukunft bedeutet das nichts gutes.
http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/content/3517136?documentId=8827720
hier der text des berichts:
"Bosnien-Herzegowina
Apartheid in der Schule
Sendeanstalt und Sendedatum: BR, Sonntag, 20. November 2011
Bildunterschrift: Amina Imamovic ]
Amina ist neun Jahre alt. Sie geht in die dritte Klasse Grundschule in Vitez in Zentralbosnien. Hier leben Bosniaken. Das sind bosnische Muslime und bosnische Kroaten, also Katholiken. Im Krieg haben sie sich heftig bekämpft.
Da vorne ist Aminas Schule. Sie muss den linken Eingang benutzen. Den für die bosnischen Muslime, denn die Schule ist geteilt. Bosniakische und kroatische Kinder lernen strikt voneinander getrennt. Der rechte Eingang ist für die Kroaten: "Wir gehen da nie hin. Ich weiß aber, dass es bei denen schöner ist als bei uns. Die haben dort viel mehr Platz."
Kurz vor acht, wenn ihr Direktor kommt, werden sie reingelassen in ihren Gebäudeabschnitt, der eigentlich viel zu klein ist. Sie mussten Trennwände einziehen, um wenigstens genug Zimmer zu haben.
Armin Imamovic, Schuldirektor:
"Ja, wir mussten hier improvisieren. Der Verbindungsgang zum kroatischen Teil wurde zugemauert."
Der Direktor würde die Trennwände gerne abreißen. Aber politisch ist das nicht durchzusetzen. Im Krieg haben in dieser Region die Kroaten gesiegt, waren erst auf internationalen Druck bereit, einen Teil der Schule wieder an Muslime abzugeben.
Mehr als 16 Jahre liegt der Krieg inzwischen zurück. Er weiß nicht, warum hier nicht alle Kinder gemeinsam lernen:
"Meine Eltern sagen 'Das ist bei uns eben so.'"
Ein Mädchen:
"Meine sagen: 'Vielleicht würden die da drüben uns verprügeln.'"
Ob das stimmt hätten wir jetzt gerne von den Kroaten erfahren. Aber die hier zuständige Schuldirektorin hat uns Gespräche verweigert. So ein bisschen umschauen, wollen wir uns trotzdem. Es gibt einen kleinen Laden, eigene Musikzimmer und großzügige Klassenzimmer, in denen nach einem vollkommen anderen Lehrplan als bei den Muslimen unterrichtet wird.
Kein politischer Wille
Bildunterschrift: Emir Malkoc ]
Travnik, ein paar Kilometer entfernt. Emir Malkoc geht hier in die letzte Klasse Gymnasium. Er ist Schülersprecher. Und das ist seine Schule, genauer gesagt: Der linke, gelbe Teil, der für die bosnischen Muslime. Die Kroaten residieren rechts, neu renoviert von der katholischen Kirche, der eigentlich das gesamte Gebäude gehört. Den einen Teil lässt die Kirche aber verfallen. Denn sie will, dass die bosniakisch-muslimische Schule endlich aus dem Haus verschwindet.
Emir Malkoc, Schülersprecher:
"Wir haben nicht einmal zu den gleichen Zeiten Schulbeginn, Pause oder Schulende. Dass machen sie, damit wir keine Chance haben, uns kennenzulernen, auszutauschen oder uns ineinander zu verlieben. Das ist politisch nicht erwünscht."
Rund 50 solcher geteilten Schulen gibt es derzeit in Bosnien - alle in Regionen, in denen im Krieg besonders erbittert gekämpft wurde. Und wie immer gibt es auch hier mindestens zwei Seiten der Geschichte:
Die katholische Kirche lässt die muslimische Schule verfallen und hat nur ihren Gebäudeteil renoviert, weil - so erzählt uns der kroatische Schuldirektor drüben auf der anderen Seite - die Muslime den Kroaten im Krieg übel mitgespielt hätten. Das Gebäude wurde enteignet, in der Kirche fand Turnunterricht statt.
Ignoranz statt Menschlichkeit
Bildunterschrift: Don Marijan Pejic ]
Don Marijan Pejic, Schuldirektor:
"Und jetzt, nachdem wir das Gebäude endlich zurückbekommen haben, benutzen sie einfach illegal weiterhin einen Teil für ihre Schule. Aber ich möchte betonen, dass wir natürlich nichts gegen die Schüler dort haben. Das sind Kinder wie unsere Kinder hier an der Schule. Alle sind uns gleich lieb."
Und dann sagt er, natürlich seien auch muslimische Kinder in seiner Schule willkommen – wenn sie die katholische Werte-Erziehung respektierten.
Amina hat am Mittag ihren Schultag hinter sich. In Mathe, ihrem Lieblingsfach, bringt sie heute eine zwei nach Hause. Der Vater ermahnt sie, sich weiter anzustrengen, denn Amina will mal Lehrerin werden: "Aber am liebsten in einer Schule, wo alle Kinder gemeinsam lernen."
Ihre Eltern und Großeltern würden sich auch eine solche Schule wünschen. Aber gegen die nationalistische Politik fühlen sie sich machtlos.
Mirsad Adilovic:
"Keiner von denen dort oben ist ja bereit, Zugeständnisse an die anderen zu machen. Es kann einem Angst machen, zu was sie unsere Kinder erziehen."
Erziehung zur Konfessionstrennung
Bildunterschrift: Zwei muslimische Mädchen ]
An dieser Schule – auch in Zentralbosnien - hat die Erziehung schon ihre Spuren hinterlassen. Die Jungs plustern sich zwar vor allen Mädchen auf - egal ob kroatisch oder muslimisch.
Zwei Mädchen:
"Aber da drüben sind die Kroaten und da wir Bosniaken. Das ist wie so eine unsichtbare Grenze durch den Schulhof. Ich kenne aus meinem Dorf ein paar Kroaten, aber in der Schule beachten wir uns nicht. Wenn wir mit den anderen reden, bekommen wir einen Verweis vom Direktor."
Jetzt fragen wir kroatische Mädchen:
"Nein, ich habe überhaupt kein Interesse an den anderen. Ich habe Freunde meiner Religion, das reicht mir völlig."
"Ach, ich habe mir noch nie Gedanken gemacht, mich mit jemand von denen anzufreunden. Wer weiß, wie die reagieren würden."
Wie die jeweils anderen reagieren würden? In ihren Schulen lernen sie es nicht. Aber vielleicht hier: Der 18-jährige Emir, Schülersprecher aus Travnik, hat Jugendliche aus anderen Schulen zu einem Workshop eingeladen. Am Ende ein Spiel:
Emir Malkoc, Schülersprecher:
"Stellt euch vor, ihr habt ein kleines weißes Kaninchen, und überlegt Euch, wohin ihr es küssen würdet. Jetzt küsst ihr Euren Nachbarn an diese Stelle."
Und siehe da: Es reagieren ja doch alle gleich. Bosnische Muslime und Kroaten, wie ganz normale Jugendliche eben.
Autorin: Susanne Glass, ARD Wien
Dieser Text informiert über den Fernsehbeitrag vom 20.11.2011. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt."
grüsse
jürgen
http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/content/3517136?documentId=8827720
hier der text des berichts:
"Bosnien-Herzegowina
Apartheid in der Schule
Sendeanstalt und Sendedatum: BR, Sonntag, 20. November 2011
Bildunterschrift: Amina Imamovic ]
Amina ist neun Jahre alt. Sie geht in die dritte Klasse Grundschule in Vitez in Zentralbosnien. Hier leben Bosniaken. Das sind bosnische Muslime und bosnische Kroaten, also Katholiken. Im Krieg haben sie sich heftig bekämpft.
Da vorne ist Aminas Schule. Sie muss den linken Eingang benutzen. Den für die bosnischen Muslime, denn die Schule ist geteilt. Bosniakische und kroatische Kinder lernen strikt voneinander getrennt. Der rechte Eingang ist für die Kroaten: "Wir gehen da nie hin. Ich weiß aber, dass es bei denen schöner ist als bei uns. Die haben dort viel mehr Platz."
Kurz vor acht, wenn ihr Direktor kommt, werden sie reingelassen in ihren Gebäudeabschnitt, der eigentlich viel zu klein ist. Sie mussten Trennwände einziehen, um wenigstens genug Zimmer zu haben.
Armin Imamovic, Schuldirektor:
"Ja, wir mussten hier improvisieren. Der Verbindungsgang zum kroatischen Teil wurde zugemauert."
Der Direktor würde die Trennwände gerne abreißen. Aber politisch ist das nicht durchzusetzen. Im Krieg haben in dieser Region die Kroaten gesiegt, waren erst auf internationalen Druck bereit, einen Teil der Schule wieder an Muslime abzugeben.
Mehr als 16 Jahre liegt der Krieg inzwischen zurück. Er weiß nicht, warum hier nicht alle Kinder gemeinsam lernen:
"Meine Eltern sagen 'Das ist bei uns eben so.'"
Ein Mädchen:
"Meine sagen: 'Vielleicht würden die da drüben uns verprügeln.'"
Ob das stimmt hätten wir jetzt gerne von den Kroaten erfahren. Aber die hier zuständige Schuldirektorin hat uns Gespräche verweigert. So ein bisschen umschauen, wollen wir uns trotzdem. Es gibt einen kleinen Laden, eigene Musikzimmer und großzügige Klassenzimmer, in denen nach einem vollkommen anderen Lehrplan als bei den Muslimen unterrichtet wird.
Kein politischer Wille
Bildunterschrift: Emir Malkoc ]
Travnik, ein paar Kilometer entfernt. Emir Malkoc geht hier in die letzte Klasse Gymnasium. Er ist Schülersprecher. Und das ist seine Schule, genauer gesagt: Der linke, gelbe Teil, der für die bosnischen Muslime. Die Kroaten residieren rechts, neu renoviert von der katholischen Kirche, der eigentlich das gesamte Gebäude gehört. Den einen Teil lässt die Kirche aber verfallen. Denn sie will, dass die bosniakisch-muslimische Schule endlich aus dem Haus verschwindet.
Emir Malkoc, Schülersprecher:
"Wir haben nicht einmal zu den gleichen Zeiten Schulbeginn, Pause oder Schulende. Dass machen sie, damit wir keine Chance haben, uns kennenzulernen, auszutauschen oder uns ineinander zu verlieben. Das ist politisch nicht erwünscht."
Rund 50 solcher geteilten Schulen gibt es derzeit in Bosnien - alle in Regionen, in denen im Krieg besonders erbittert gekämpft wurde. Und wie immer gibt es auch hier mindestens zwei Seiten der Geschichte:
Die katholische Kirche lässt die muslimische Schule verfallen und hat nur ihren Gebäudeteil renoviert, weil - so erzählt uns der kroatische Schuldirektor drüben auf der anderen Seite - die Muslime den Kroaten im Krieg übel mitgespielt hätten. Das Gebäude wurde enteignet, in der Kirche fand Turnunterricht statt.
Ignoranz statt Menschlichkeit
Bildunterschrift: Don Marijan Pejic ]
Don Marijan Pejic, Schuldirektor:
"Und jetzt, nachdem wir das Gebäude endlich zurückbekommen haben, benutzen sie einfach illegal weiterhin einen Teil für ihre Schule. Aber ich möchte betonen, dass wir natürlich nichts gegen die Schüler dort haben. Das sind Kinder wie unsere Kinder hier an der Schule. Alle sind uns gleich lieb."
Und dann sagt er, natürlich seien auch muslimische Kinder in seiner Schule willkommen – wenn sie die katholische Werte-Erziehung respektierten.
Amina hat am Mittag ihren Schultag hinter sich. In Mathe, ihrem Lieblingsfach, bringt sie heute eine zwei nach Hause. Der Vater ermahnt sie, sich weiter anzustrengen, denn Amina will mal Lehrerin werden: "Aber am liebsten in einer Schule, wo alle Kinder gemeinsam lernen."
Ihre Eltern und Großeltern würden sich auch eine solche Schule wünschen. Aber gegen die nationalistische Politik fühlen sie sich machtlos.
Mirsad Adilovic:
"Keiner von denen dort oben ist ja bereit, Zugeständnisse an die anderen zu machen. Es kann einem Angst machen, zu was sie unsere Kinder erziehen."
Erziehung zur Konfessionstrennung
Bildunterschrift: Zwei muslimische Mädchen ]
An dieser Schule – auch in Zentralbosnien - hat die Erziehung schon ihre Spuren hinterlassen. Die Jungs plustern sich zwar vor allen Mädchen auf - egal ob kroatisch oder muslimisch.
Zwei Mädchen:
"Aber da drüben sind die Kroaten und da wir Bosniaken. Das ist wie so eine unsichtbare Grenze durch den Schulhof. Ich kenne aus meinem Dorf ein paar Kroaten, aber in der Schule beachten wir uns nicht. Wenn wir mit den anderen reden, bekommen wir einen Verweis vom Direktor."
Jetzt fragen wir kroatische Mädchen:
"Nein, ich habe überhaupt kein Interesse an den anderen. Ich habe Freunde meiner Religion, das reicht mir völlig."
"Ach, ich habe mir noch nie Gedanken gemacht, mich mit jemand von denen anzufreunden. Wer weiß, wie die reagieren würden."
Wie die jeweils anderen reagieren würden? In ihren Schulen lernen sie es nicht. Aber vielleicht hier: Der 18-jährige Emir, Schülersprecher aus Travnik, hat Jugendliche aus anderen Schulen zu einem Workshop eingeladen. Am Ende ein Spiel:
Emir Malkoc, Schülersprecher:
"Stellt euch vor, ihr habt ein kleines weißes Kaninchen, und überlegt Euch, wohin ihr es küssen würdet. Jetzt küsst ihr Euren Nachbarn an diese Stelle."
Und siehe da: Es reagieren ja doch alle gleich. Bosnische Muslime und Kroaten, wie ganz normale Jugendliche eben.
Autorin: Susanne Glass, ARD Wien
Dieser Text informiert über den Fernsehbeitrag vom 20.11.2011. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt."
grüsse
jürgen