baskafan
Adriasüchtiger
1964 - Ein Jahr nach meinem 1. Meeresurlaub war ich schon wieder reif für die Insel.
Ich hatte ja die besten Erinnerungen vom Vorjahr. Nun ergab es sich, dass ein junger Mann (namens Franz) in meiner Nähe wohnte, der ebenfalls zur Sonne fahren wollte. Dieser Junge hatte einen besonders harten Schicksalsschlag hinter sich. Bei Kriegsende 1945 war bei uns die Front, es lagen viele Kriegsrelikte in der Gegend herum. Franz und einige Freunde spielten - trotz Verbot – damit. Leider explodierte so eine Granate in seiner Hand. Ihm traf es am härtesten, er verlor seinen rechten Unterarm und was noch schlimmer war, auch beide Augen – aber er überlebte. Seine Freunde kamen etwas besser davon (Ein zweiter büßte ein Auge ein).
Franz lies sich nicht unterkriegen und verlor auch nicht im Geringsten seinen Humor, mit ihm konnte man Pferdestehlen. Er konnte zum Beispiel beim Baden in der Traisen unter den Uferstauden mit der intakten linken Hand Fische fangen, die dann beim Lagerfeuer gebraten und gegessen wurden.
Als sogenannter Invalide bekam er eine Lizenz zur Führung einer Trafik. Dieses Geschäft führte er so erfolgreich, dass er davon seinen Unterhalt bestreiten konnte. Er bediente meist auch selbst und das kassieren und Geldwechseln waren für ihn selbstverständlich. Er konnte sich damals schon ein Auto leisten, wofür jedoch Freunde mit Führerschein notwendig waren. Das war kein Problem, seinerzeit waren die Jungen froh wenn sie mit einem Auto fahren konnten. Da ich um einige Jahre jünger war, hatte ich damals noch sehr wenig Kontakt zu ihm. Sein Problem war, dass die meisten seiner Altersgenossen schon mit Mädchen gingen und nicht mehr die Freizeit hatten, um mit ihm Ausflüge zu machen. So kam ich ins Spiel, ich hatte zwar meinen Führerschein über ein Jahr, aber keine Fahrpraxis. Franz vertraute mir jedoch vollkommen und so fuhren wir zu Schachturnieren (Er war ein Spitzenschachspieler – auch Weltmeister im Blindenschach) Bei diesen Ausfahrten erzählte ich ihm auch von meinen Jugoslawienurlaub vom Vorjahr. Das wollte er auch erleben. Er war einige Jahre zuvor einmal schon in Italien und hatte auch Sehnsucht wieder ans Meer zu kommen.
Der örtliche Naturfreundeverein stellte uns ein kleines Zelt und Schlafsäcke zur Verfügung. Der Visazwang für Jugoslawien wurde in diesem Jahr auch aufgehoben. Jetzt hatten wir alles wir brauchten (Geld, Zeit, Auto und Zelt), also konnten wir sofort losfahren.
Unser Auto ein Renault 4CV hatte jedoch ein paar kleine Macken. Das Starterritzel war defekt, starten konnten wir meist nur dann, wenn ich mit einen Hammer irgendwo unten am Motor klopfte. Dies störte uns überhaupt nicht, meist parkte ich daher wenn möglich auf einer abschüssigen Straße. Eine Handkurbel war bei diesem Modell ebenfalls vorhanden. Eine weitere Macke war, dass die Zylinderkopfdichtung leckte. Wir mussten daher immer ein paar 2l-Flaschen mit Wasser mitführen um verlorene Kühlflüssigkeit auffüllen zu können. Damals gab es noch keine Plastikflaschen. Der Auspuff hatte auch ein paar kleine Rostlöcher, war aber nur unwesentlich lauter als normal.
Nun, der Urlaub war dringender nötig als diese kleinen Reparaturen.
Wir fuhren nachmittags ab, damit wir am nächsten Tag nach der Ankunft am Meer auch noch Zeit haben für den Zeltaufbau usw.. Die Fahrt war ziemlich problemlos, ich hatte ja als Straßenkarte einen Schulatlas mit (Es waren die Zwischenziele Maria Zell, Graz, Spielfeld, Maribor, Ljubljana und Rijeka eingezeichnet). In der Nacht regnete es ziemlich stark und der jugosl. Asphalt bei Nässe war wie eine Eisbahn. (2-3x hatten wir einen Dreher – ohne Blechschaden) Der 4CV mit seinen 21 PS ging nicht so schnell, die beste Straßenlage hatte er bei 70 km/h, darüber nur bei idealem Fahrbahnzustand. Nach Ljubljana verlor ich einmal die Orientierung. Gott sei Dank sahen war eine Gruppe Jugendlicher, die von einer Feier auf dem Heimweg waren. Sie waren zwar stark alkoholisiert aber einer konnte etwas englisch und so erfuhren wir, dass es in die andere Richtung geht. Mit lautem Hallo schoben sie uns wieder an (ca. 30 km Umweg) Kühlwasser holten wir aus Bächen. Tankstellen waren nachts fast keine offen. Der Regen hatte inzwischen wieder aufgehört.
Gegen 5 h Früh erreichten wir Rijeka – durch die Stadt durch – in Richtung Crikvenica – entlang der engen Küstenstraße.
Beklemmend waren die Autowracks neben der Straße und sehr unangenehm war die Huppflicht während des gesamten Überhohlvorgangs. Heute unvorstellbar aber damals Pflicht in Jugoslawien. Ich vermute, dass nicht wenige Unfälle darauf zurückzuführen waren. (eine Hand auf der Hupe und nur Eine zum lenken beim riskanten Überhohlmanöver).
Aber für Alles wurde ich durch den herrlichen Meeresblick entschädigt. Ich konnte meinem blinden Beifahrer nicht genug davon vorschwärmen. Wir öffneten alle Fenster und das Schiebedach um die Sonne, Düfte und die Meeresluft aufsaugen zu können.
Wir hatten großes Glück. Wir bekamen noch einen Platz auf der 1. Fähre zu unserer Insel. Von Silo ging es weiter nach Punat. Die Strecke kannte ich noch vom Vorjahr (mit Transferbus)
In Punat zuerst ein geeigneten Zeltplatz suchen. Was auch gut gelang – der Zugang sollte frei von Stolpersteinen und Spannschnüren sein, damit mein Freund keine zusätzlichen Schwierigkeiten hat. Das einfache 2-Mannzelt war bald aufgestellt und es hielt uns nichts mehr auf um ins Strandbad zu gehen. Die Betonliegeflächen waren in unseren speziellen Fall das Beste was wir uns wünschen konnten.
Ein leichter Wind kühlte angenehm - der Himmel wolkenlos – wir waren überglücklich. Beim Schwimmen musste ich Franz immer drängen sich mehr nach links zu halten. Durch das einarmige schwimmen ging es nur im Kreis und wir wären nicht vom Ufer weggekommen, aber das hatte er bald im Griff.
Durch die leichte Brise spürte er die Sonnenstrahlen nicht so richtig – Ihm konnte es nicht heiß genug sein.
Gegen Abend bummelten wir noch am Strand und aßen im Parkhotel. (Das Personal kannte ich teilweise noch vom Vorjahr). Die Portionen von Franz musste ich nur auf kleine Mundhappen zerkleinern, aber das auch nur die ersten 2 Tage. Dann kamen die Mahlzeiten bereits mundgerecht aus der Küche, dank der aufmerksamen und sehr freundlichen Bedienung.
Geschlafen haben wir im Zelt ganz gut, soweit man auf einer Luftmatratze gut schlafen kann. Ein wenig seekrank könnte man davon schon werden. Aber wir waren ohnedies mehr als müde von der Nachtfahrt. Am nächsten Tag faulenzten wir richtig – sonnen – schwimmen – sonnen – schwimmen usw. Am Strand beobachtete ich schon im Vorjahr junge Jugos wie sie etwas Undefinierbares kneteten und walkten. Diesmal fragte ich, zu was das gut sei. Die stolze Antwort war, das werden prima Badeschwämme besser als jedes künstliche Produkt. In den späteren Jahren konnte ich keine derartigen Beobachtungen mehr machen. Wurden die Schwämme (es sind Tiere) ausgerottet?
Am 3. Tag hatten wir ein Problem, Franz hatte einen starken Sonnenbrand (sogar mit Blasen). An schlafen im engen Zelt war nicht zu denken. Das Tiroler Nussöl war als Sonnenschutz nicht recht wirkungsvoll. Wir fragten daher im Parkhotel - ob wir ein Zimmer bekommen könnten. Selbstverständlich – Nach 1 Stunde waren wir übersiedelt. Das Zimmer lag direkt neben dem vom Vorjahr.
Die folgenden Tage verbrachten wir mehr im Schatten. Wir besuchten die Familie, die ich im Vorjahr kennengelernt hatte. War das ein Hallo – der Junge (Gastarbeiterkind) war ebenfalls da. Sprachprobleme gab es daher nicht. Franz hatte seine Spielkarten (für Blinde) mit. So konnten wir bei einigen Gläschen Wein Kartenspielen. Beim Reden kamen wir auch auf die Idee wir könnten mit dem Auto in die umliegenden Dörfer Ausflüge machen. Der Hausleute waren auch begeistert, sie wollten bei der Gelegenheit Freunde und Verwandte besuchen. Uns kam das sehr entgegen, da hatten wir unsere Starthilfen immer gleich dabei.
Die erste Ausfahrt war nach Krk zum tanken und obwohl es noch wenige Autos gab mussten wir uns fast 1 Stunde anstellen bis wir endlich den Tank voll bekamen. Diese Tankstelle am Hafen gibt es heute noch, aber die Staus sind nicht davor sondern in den Straßen rundherum.
Eine weitere Tour war in das herrliche Städtchen Vrbnik. Während unsere Mitfahrer ihre Besuche machten erkundeten wir die Umgebung. Treffpunkt war jeweils 3 oder 4 Stunden später beim Auto. Für Franz hatten diese Besichtigungen wenig Sinn, doch er konnte sich meine Beschreibungen gut vorstellen. So war Baden an den verschiedenen Stränden das Hauptvergnügen.
Baska war ebenfalls ein Ausflugsziel. Hier waren wir von diesem tollen Strand überhaupt nicht wegzubringen. Wir badeten etwa dort, wo heute der Campingplatz Zablace (Gegr.1969) ist und obwohl ein heißer Julitag war, hatten wir unendlich viel Platz. Heute kaum vorstellbar. Es war so traumhaft, dass ich sogar aufs fotografieren vergas.
Dazwischen waren wir meistens im offiziellen Strandbad von Punat. Dort ereignete sich eines Tages etwas ganz Eigenartiges. Alle scharten sich um die Kofferradios, die damals ganz modern waren und lauschten aufgeregt. Was war da los???? Wir waren ganz neugierig und versuchten zu fragen. So erfuhren wir, dass es ein ganz starkes Erdbeben in Skopje gegeben hat. Die Stadt soll fast zur Gänze zerstört sein mit sehr, sehr vielen Toten. Am Abend sahen wir dann im Fernsehen (im Hotel) die schrecklichen Bilder. Alle waren ganz schockiert und traurig. Ich glaube in diesen Tagen gab es keinen Unterschied zwischen Kroaten, Serben, Albandern, Bosniaken, Ungarn und Slowenen. Alle litten mit den Mazedoniern.
Quelle: Deutsche Botschaft Skopje
Schicksalsschlag! Das Leben geht weiter. Jeder kann es nur auf seine Art bewältigen. Ich bewundere Franz wie er sein Schicksal angenommen hat. Wir waren nur ein paar Tage zusammen - er war ein vollwertiger Mensch, seine angebliche Behinderung war für mich nicht vorhanden und ich merkte sie auch gar nicht mehr.
Viel Freude hatten wir auch mit dem Esel unserer Freunde aus Punat. Franz und ich versuchten sich auch darauf zu reiten. Fotos (am Esel) gibt’s jedoch nur mit mir.
Ich und Franz kommen aus einer Weingegend (Nähe Wachau) und so dachten wir, nehmen wir ein paar Flaschen mit nach Hause zur Verkostung mit Freunden. Wir zahlten damals umgerechnet ca. 0,25 Euro pro Liter. Mehr wollten sie nicht annehmen. Wir verstauten diese Flaschen hinter den Vordersitzen am Boden, damit sie uns ja nicht zerbrechen konnten.
Unser Urlaub verging uns viel zu schnell und der Abschied viel uns sehr schwer. Abfahrt war wieder nachmittags. Wasser für die Kühlung war aufgefüllt. Die Rücksitze waren bis zum Bersten voll mit Campingsachen, Gewand und Sonstigem. Zum starten schoben uns die gewonnenen Freunde an und es ging heimwärts. Diesmal nahmen wir eine andere Route. Franz hatte in Villach einen Fernschachfreund (ebenfalls blind), diesen wollten wir besuchen. Die Strecke führte über den Wurzenpass (für unsere 21 PS eine Herausforderung). An der Grenze konnten wir die jugosl. Seite anstandslos passieren. Die österr. Zöllner waren schon neugieriger. Zigaretten? Schnäpse? Wir verneinten. Sie glaubten das nicht so recht und kontrollierten. Fanden prompt unsere 2-l Flaschen und vermuteten Hochprozentisches, dass wir nur Wasser importieren schien unglaubhaft. Erst als ich damit den Kühler nachfüllte konnte ich überzeugen, aber das Misstrauen war da. Jetzt musste ich den ganzen Wagen ausräumen. Bei unserem 4-Türer nicht ganz so schwer. Alles Gepäck auf der Straße, aber jetzt kamen unsere Weinflaschen zum Vorschein. (die hatte ich schon ganz vergessen gehabt). 5 mal 1 Liter !!!! Erlaubt sind jedoch nur 2 Liter pro Person. Alle Flaschen wurden entkorkt, gerochen und tropfenweise gekostet. Es war wirklich nur Wein. Alle Beteuerungen, (herschenken, ausleeren) nutzten nichts, wir haben versucht zu schmuggeln!!!! Strafe etwa 70 Schilling – damals für uns sehr viel Geld. Flaschen wieder verkorken und Gepäck verstauen. Der billige Wein hatte dadurch eine unglaubliche Wertsteigerung erfahren. Aber was soll es, die Reise war trotzdem schön. Die netten Zöllner halfen uns sogar durch anschieben.
Das Zusammentreffen der beiden Blinden in Villach war berührend. Dank unserer Zöllner war die Zeit leider knapper bemessen.
Etwas vor Mitternacht ging es wieder weiter. Wir waren noch nicht in der Steiermark als es nach und nach mehr im Auto zu stinken begann. Was war die Ursache? Eine von unseren Weinflaschen war ausgeronnen, man soll nicht glauben wie sich der gute Duft wandeln kann, wenn er mit Gummimatten in Berührung kommt. Also die Weiterfahrt war im leichten Alkoholnebel. Schon in der Steiermark war plötzlich ein Geschepper und Gepolter hinten am Motor. Notbremse!! Die Lichtmaschine hatte sich selbstständig gemacht und hing nur mit den Kabeln am Motor. Abmontieren und im Auto verstauen. Die Weiterfahrt musste nun im Dunkeln geschehen, die Scheinwerfer verbrauchen zu viel Strom. Hoffentlich hält die Batterie für den Rest der Fahrt. Die Nacht war ziemlich mondhell. Gott sei Dank machte Franz sich deswegen keine Sorgen und saß ganz entspannt neben mir. (für Ihn ist das ganz normal) Leider hatte die Lichtmaschine die Auspuffanlage beschädigt. Nach weiteren 30-40 km verloren wir auch diesen. Man soll nicht glauben wie laut so ein 21-PS Auto sein kann. Die Straßen waren um diese Zeit komplett autofrei, außerdem waren auf dieser Strecke nur ganz kleine Ortschaften, so fuhren wir mit Schwung ohne Motor durch. Ich entschuldige mich heute bei den Dorfbewohnern die durch uns unsanft aus dem Schlaf gerissen wurden. Es stellte sich heraus, dass der ausgeronnene Wein auch sein Gutes hatte. Leicht benebelt machten uns diese kleinen Pannen keinerlei Sorgen, wir fanden es sogar lustig. Diese alten Autos hatten riesige Vorteile – sie hatten keine Servolenkung und keine Bremsverstärker – also Bremsen und Lenken ohne laufenden Motor (bei den Bergabstrecken) war überhaupt kein Problem. Gut dass es um diese Jahreszeit schon sehr zeitig hell wird. Also alles war wie gewünscht, es hätte fast nicht besser sein können. Um 7 Uhr morgens (genau zu Arbeitsbeginn) kamen wir bei der Autowerkstätte vorbei (Sie lag direkt auf unserer Fahrtstrecke). Als sie uns sahen und hörten, bekamen wir unverzüglich einen Reparaturtermin, (ohne Voranmeldung) Hatten wir nicht ein Glück!!!! Neuer Auspuff und Lichtmaschine montiert – nach 2 Stunden konnten wir heimfahren. Starter u. undichte Kopfdichtung konnten noch länger warten, zunächst war jetzt unsere Erholung dringender.
Ja, wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen. Das taten wir dann auch ausführlich, bei ein paar Gläschen von unserem mitgebrachten Wein.
Dass diese Reise einmalig blieb lag daran, dass Franz sich in ein sehr nettes Mädchen verliebte. Ihre Eltern und auch der Bruder waren strickt gegen diese nicht ganz einfache Verbindung. Sie hatte nur zwei Stunden pro Woche, wo sie nicht kontrolliert werden konnte. (beim Umsteigen zwischen zwei Zügen). Diese Zeit nutzten wir und ich brachte Franz jeden Freitagnachmittag zum Geheimtreff. Ihre Liebe war so groß, dass sie sich gegen alle Widerstände durchsetzten, sie heirateten und bekamen Kinder. Franz das hast du gut gemacht!!!!
Am 1. Februar 2011 starb Franz im Alter von 78 Jahren. Als ich das erfuhr kamen mir die schönen Erinnerungen von damals wieder in den Sinn. Diesen Beitrag widme ich daher seiner Witwe und seinen Söhnen.
Ich selber verliebte mich auch. Mein nächster Kroatienurlaub war 1967 (Camping in Rijeka) mit meiner damaligen Freundin (heutigen Frau). Wir sind seit 1969 verheiratet.
Ich hoffe dieser Bericht ist nicht zu langatmig und gefällt einigen von euch Kroatienliebhabern.
Liebe Grüße von Hannes
Ich hatte ja die besten Erinnerungen vom Vorjahr. Nun ergab es sich, dass ein junger Mann (namens Franz) in meiner Nähe wohnte, der ebenfalls zur Sonne fahren wollte. Dieser Junge hatte einen besonders harten Schicksalsschlag hinter sich. Bei Kriegsende 1945 war bei uns die Front, es lagen viele Kriegsrelikte in der Gegend herum. Franz und einige Freunde spielten - trotz Verbot – damit. Leider explodierte so eine Granate in seiner Hand. Ihm traf es am härtesten, er verlor seinen rechten Unterarm und was noch schlimmer war, auch beide Augen – aber er überlebte. Seine Freunde kamen etwas besser davon (Ein zweiter büßte ein Auge ein).
Franz lies sich nicht unterkriegen und verlor auch nicht im Geringsten seinen Humor, mit ihm konnte man Pferdestehlen. Er konnte zum Beispiel beim Baden in der Traisen unter den Uferstauden mit der intakten linken Hand Fische fangen, die dann beim Lagerfeuer gebraten und gegessen wurden.
Als sogenannter Invalide bekam er eine Lizenz zur Führung einer Trafik. Dieses Geschäft führte er so erfolgreich, dass er davon seinen Unterhalt bestreiten konnte. Er bediente meist auch selbst und das kassieren und Geldwechseln waren für ihn selbstverständlich. Er konnte sich damals schon ein Auto leisten, wofür jedoch Freunde mit Führerschein notwendig waren. Das war kein Problem, seinerzeit waren die Jungen froh wenn sie mit einem Auto fahren konnten. Da ich um einige Jahre jünger war, hatte ich damals noch sehr wenig Kontakt zu ihm. Sein Problem war, dass die meisten seiner Altersgenossen schon mit Mädchen gingen und nicht mehr die Freizeit hatten, um mit ihm Ausflüge zu machen. So kam ich ins Spiel, ich hatte zwar meinen Führerschein über ein Jahr, aber keine Fahrpraxis. Franz vertraute mir jedoch vollkommen und so fuhren wir zu Schachturnieren (Er war ein Spitzenschachspieler – auch Weltmeister im Blindenschach) Bei diesen Ausfahrten erzählte ich ihm auch von meinen Jugoslawienurlaub vom Vorjahr. Das wollte er auch erleben. Er war einige Jahre zuvor einmal schon in Italien und hatte auch Sehnsucht wieder ans Meer zu kommen.
Der örtliche Naturfreundeverein stellte uns ein kleines Zelt und Schlafsäcke zur Verfügung. Der Visazwang für Jugoslawien wurde in diesem Jahr auch aufgehoben. Jetzt hatten wir alles wir brauchten (Geld, Zeit, Auto und Zelt), also konnten wir sofort losfahren.
Unser Auto ein Renault 4CV hatte jedoch ein paar kleine Macken. Das Starterritzel war defekt, starten konnten wir meist nur dann, wenn ich mit einen Hammer irgendwo unten am Motor klopfte. Dies störte uns überhaupt nicht, meist parkte ich daher wenn möglich auf einer abschüssigen Straße. Eine Handkurbel war bei diesem Modell ebenfalls vorhanden. Eine weitere Macke war, dass die Zylinderkopfdichtung leckte. Wir mussten daher immer ein paar 2l-Flaschen mit Wasser mitführen um verlorene Kühlflüssigkeit auffüllen zu können. Damals gab es noch keine Plastikflaschen. Der Auspuff hatte auch ein paar kleine Rostlöcher, war aber nur unwesentlich lauter als normal.
Nun, der Urlaub war dringender nötig als diese kleinen Reparaturen.
Wir fuhren nachmittags ab, damit wir am nächsten Tag nach der Ankunft am Meer auch noch Zeit haben für den Zeltaufbau usw.. Die Fahrt war ziemlich problemlos, ich hatte ja als Straßenkarte einen Schulatlas mit (Es waren die Zwischenziele Maria Zell, Graz, Spielfeld, Maribor, Ljubljana und Rijeka eingezeichnet). In der Nacht regnete es ziemlich stark und der jugosl. Asphalt bei Nässe war wie eine Eisbahn. (2-3x hatten wir einen Dreher – ohne Blechschaden) Der 4CV mit seinen 21 PS ging nicht so schnell, die beste Straßenlage hatte er bei 70 km/h, darüber nur bei idealem Fahrbahnzustand. Nach Ljubljana verlor ich einmal die Orientierung. Gott sei Dank sahen war eine Gruppe Jugendlicher, die von einer Feier auf dem Heimweg waren. Sie waren zwar stark alkoholisiert aber einer konnte etwas englisch und so erfuhren wir, dass es in die andere Richtung geht. Mit lautem Hallo schoben sie uns wieder an (ca. 30 km Umweg) Kühlwasser holten wir aus Bächen. Tankstellen waren nachts fast keine offen. Der Regen hatte inzwischen wieder aufgehört.
Gegen 5 h Früh erreichten wir Rijeka – durch die Stadt durch – in Richtung Crikvenica – entlang der engen Küstenstraße.


Beklemmend waren die Autowracks neben der Straße und sehr unangenehm war die Huppflicht während des gesamten Überhohlvorgangs. Heute unvorstellbar aber damals Pflicht in Jugoslawien. Ich vermute, dass nicht wenige Unfälle darauf zurückzuführen waren. (eine Hand auf der Hupe und nur Eine zum lenken beim riskanten Überhohlmanöver).
Aber für Alles wurde ich durch den herrlichen Meeresblick entschädigt. Ich konnte meinem blinden Beifahrer nicht genug davon vorschwärmen. Wir öffneten alle Fenster und das Schiebedach um die Sonne, Düfte und die Meeresluft aufsaugen zu können.

Wir hatten großes Glück. Wir bekamen noch einen Platz auf der 1. Fähre zu unserer Insel. Von Silo ging es weiter nach Punat. Die Strecke kannte ich noch vom Vorjahr (mit Transferbus)
In Punat zuerst ein geeigneten Zeltplatz suchen. Was auch gut gelang – der Zugang sollte frei von Stolpersteinen und Spannschnüren sein, damit mein Freund keine zusätzlichen Schwierigkeiten hat. Das einfache 2-Mannzelt war bald aufgestellt und es hielt uns nichts mehr auf um ins Strandbad zu gehen. Die Betonliegeflächen waren in unseren speziellen Fall das Beste was wir uns wünschen konnten.

Ein leichter Wind kühlte angenehm - der Himmel wolkenlos – wir waren überglücklich. Beim Schwimmen musste ich Franz immer drängen sich mehr nach links zu halten. Durch das einarmige schwimmen ging es nur im Kreis und wir wären nicht vom Ufer weggekommen, aber das hatte er bald im Griff.
Durch die leichte Brise spürte er die Sonnenstrahlen nicht so richtig – Ihm konnte es nicht heiß genug sein.
Gegen Abend bummelten wir noch am Strand und aßen im Parkhotel. (Das Personal kannte ich teilweise noch vom Vorjahr). Die Portionen von Franz musste ich nur auf kleine Mundhappen zerkleinern, aber das auch nur die ersten 2 Tage. Dann kamen die Mahlzeiten bereits mundgerecht aus der Küche, dank der aufmerksamen und sehr freundlichen Bedienung.
Geschlafen haben wir im Zelt ganz gut, soweit man auf einer Luftmatratze gut schlafen kann. Ein wenig seekrank könnte man davon schon werden. Aber wir waren ohnedies mehr als müde von der Nachtfahrt. Am nächsten Tag faulenzten wir richtig – sonnen – schwimmen – sonnen – schwimmen usw. Am Strand beobachtete ich schon im Vorjahr junge Jugos wie sie etwas Undefinierbares kneteten und walkten. Diesmal fragte ich, zu was das gut sei. Die stolze Antwort war, das werden prima Badeschwämme besser als jedes künstliche Produkt. In den späteren Jahren konnte ich keine derartigen Beobachtungen mehr machen. Wurden die Schwämme (es sind Tiere) ausgerottet?
Am 3. Tag hatten wir ein Problem, Franz hatte einen starken Sonnenbrand (sogar mit Blasen). An schlafen im engen Zelt war nicht zu denken. Das Tiroler Nussöl war als Sonnenschutz nicht recht wirkungsvoll. Wir fragten daher im Parkhotel - ob wir ein Zimmer bekommen könnten. Selbstverständlich – Nach 1 Stunde waren wir übersiedelt. Das Zimmer lag direkt neben dem vom Vorjahr.


Die folgenden Tage verbrachten wir mehr im Schatten. Wir besuchten die Familie, die ich im Vorjahr kennengelernt hatte. War das ein Hallo – der Junge (Gastarbeiterkind) war ebenfalls da. Sprachprobleme gab es daher nicht. Franz hatte seine Spielkarten (für Blinde) mit. So konnten wir bei einigen Gläschen Wein Kartenspielen. Beim Reden kamen wir auch auf die Idee wir könnten mit dem Auto in die umliegenden Dörfer Ausflüge machen. Der Hausleute waren auch begeistert, sie wollten bei der Gelegenheit Freunde und Verwandte besuchen. Uns kam das sehr entgegen, da hatten wir unsere Starthilfen immer gleich dabei.
Die erste Ausfahrt war nach Krk zum tanken und obwohl es noch wenige Autos gab mussten wir uns fast 1 Stunde anstellen bis wir endlich den Tank voll bekamen. Diese Tankstelle am Hafen gibt es heute noch, aber die Staus sind nicht davor sondern in den Straßen rundherum.

Eine weitere Tour war in das herrliche Städtchen Vrbnik. Während unsere Mitfahrer ihre Besuche machten erkundeten wir die Umgebung. Treffpunkt war jeweils 3 oder 4 Stunden später beim Auto. Für Franz hatten diese Besichtigungen wenig Sinn, doch er konnte sich meine Beschreibungen gut vorstellen. So war Baden an den verschiedenen Stränden das Hauptvergnügen.

Baska war ebenfalls ein Ausflugsziel. Hier waren wir von diesem tollen Strand überhaupt nicht wegzubringen. Wir badeten etwa dort, wo heute der Campingplatz Zablace (Gegr.1969) ist und obwohl ein heißer Julitag war, hatten wir unendlich viel Platz. Heute kaum vorstellbar. Es war so traumhaft, dass ich sogar aufs fotografieren vergas.
Dazwischen waren wir meistens im offiziellen Strandbad von Punat. Dort ereignete sich eines Tages etwas ganz Eigenartiges. Alle scharten sich um die Kofferradios, die damals ganz modern waren und lauschten aufgeregt. Was war da los???? Wir waren ganz neugierig und versuchten zu fragen. So erfuhren wir, dass es ein ganz starkes Erdbeben in Skopje gegeben hat. Die Stadt soll fast zur Gänze zerstört sein mit sehr, sehr vielen Toten. Am Abend sahen wir dann im Fernsehen (im Hotel) die schrecklichen Bilder. Alle waren ganz schockiert und traurig. Ich glaube in diesen Tagen gab es keinen Unterschied zwischen Kroaten, Serben, Albandern, Bosniaken, Ungarn und Slowenen. Alle litten mit den Mazedoniern.

Quelle: Deutsche Botschaft Skopje
Schicksalsschlag! Das Leben geht weiter. Jeder kann es nur auf seine Art bewältigen. Ich bewundere Franz wie er sein Schicksal angenommen hat. Wir waren nur ein paar Tage zusammen - er war ein vollwertiger Mensch, seine angebliche Behinderung war für mich nicht vorhanden und ich merkte sie auch gar nicht mehr.
Viel Freude hatten wir auch mit dem Esel unserer Freunde aus Punat. Franz und ich versuchten sich auch darauf zu reiten. Fotos (am Esel) gibt’s jedoch nur mit mir.

Ich und Franz kommen aus einer Weingegend (Nähe Wachau) und so dachten wir, nehmen wir ein paar Flaschen mit nach Hause zur Verkostung mit Freunden. Wir zahlten damals umgerechnet ca. 0,25 Euro pro Liter. Mehr wollten sie nicht annehmen. Wir verstauten diese Flaschen hinter den Vordersitzen am Boden, damit sie uns ja nicht zerbrechen konnten.
Unser Urlaub verging uns viel zu schnell und der Abschied viel uns sehr schwer. Abfahrt war wieder nachmittags. Wasser für die Kühlung war aufgefüllt. Die Rücksitze waren bis zum Bersten voll mit Campingsachen, Gewand und Sonstigem. Zum starten schoben uns die gewonnenen Freunde an und es ging heimwärts. Diesmal nahmen wir eine andere Route. Franz hatte in Villach einen Fernschachfreund (ebenfalls blind), diesen wollten wir besuchen. Die Strecke führte über den Wurzenpass (für unsere 21 PS eine Herausforderung). An der Grenze konnten wir die jugosl. Seite anstandslos passieren. Die österr. Zöllner waren schon neugieriger. Zigaretten? Schnäpse? Wir verneinten. Sie glaubten das nicht so recht und kontrollierten. Fanden prompt unsere 2-l Flaschen und vermuteten Hochprozentisches, dass wir nur Wasser importieren schien unglaubhaft. Erst als ich damit den Kühler nachfüllte konnte ich überzeugen, aber das Misstrauen war da. Jetzt musste ich den ganzen Wagen ausräumen. Bei unserem 4-Türer nicht ganz so schwer. Alles Gepäck auf der Straße, aber jetzt kamen unsere Weinflaschen zum Vorschein. (die hatte ich schon ganz vergessen gehabt). 5 mal 1 Liter !!!! Erlaubt sind jedoch nur 2 Liter pro Person. Alle Flaschen wurden entkorkt, gerochen und tropfenweise gekostet. Es war wirklich nur Wein. Alle Beteuerungen, (herschenken, ausleeren) nutzten nichts, wir haben versucht zu schmuggeln!!!! Strafe etwa 70 Schilling – damals für uns sehr viel Geld. Flaschen wieder verkorken und Gepäck verstauen. Der billige Wein hatte dadurch eine unglaubliche Wertsteigerung erfahren. Aber was soll es, die Reise war trotzdem schön. Die netten Zöllner halfen uns sogar durch anschieben.
Das Zusammentreffen der beiden Blinden in Villach war berührend. Dank unserer Zöllner war die Zeit leider knapper bemessen.
Etwas vor Mitternacht ging es wieder weiter. Wir waren noch nicht in der Steiermark als es nach und nach mehr im Auto zu stinken begann. Was war die Ursache? Eine von unseren Weinflaschen war ausgeronnen, man soll nicht glauben wie sich der gute Duft wandeln kann, wenn er mit Gummimatten in Berührung kommt. Also die Weiterfahrt war im leichten Alkoholnebel. Schon in der Steiermark war plötzlich ein Geschepper und Gepolter hinten am Motor. Notbremse!! Die Lichtmaschine hatte sich selbstständig gemacht und hing nur mit den Kabeln am Motor. Abmontieren und im Auto verstauen. Die Weiterfahrt musste nun im Dunkeln geschehen, die Scheinwerfer verbrauchen zu viel Strom. Hoffentlich hält die Batterie für den Rest der Fahrt. Die Nacht war ziemlich mondhell. Gott sei Dank machte Franz sich deswegen keine Sorgen und saß ganz entspannt neben mir. (für Ihn ist das ganz normal) Leider hatte die Lichtmaschine die Auspuffanlage beschädigt. Nach weiteren 30-40 km verloren wir auch diesen. Man soll nicht glauben wie laut so ein 21-PS Auto sein kann. Die Straßen waren um diese Zeit komplett autofrei, außerdem waren auf dieser Strecke nur ganz kleine Ortschaften, so fuhren wir mit Schwung ohne Motor durch. Ich entschuldige mich heute bei den Dorfbewohnern die durch uns unsanft aus dem Schlaf gerissen wurden. Es stellte sich heraus, dass der ausgeronnene Wein auch sein Gutes hatte. Leicht benebelt machten uns diese kleinen Pannen keinerlei Sorgen, wir fanden es sogar lustig. Diese alten Autos hatten riesige Vorteile – sie hatten keine Servolenkung und keine Bremsverstärker – also Bremsen und Lenken ohne laufenden Motor (bei den Bergabstrecken) war überhaupt kein Problem. Gut dass es um diese Jahreszeit schon sehr zeitig hell wird. Also alles war wie gewünscht, es hätte fast nicht besser sein können. Um 7 Uhr morgens (genau zu Arbeitsbeginn) kamen wir bei der Autowerkstätte vorbei (Sie lag direkt auf unserer Fahrtstrecke). Als sie uns sahen und hörten, bekamen wir unverzüglich einen Reparaturtermin, (ohne Voranmeldung) Hatten wir nicht ein Glück!!!! Neuer Auspuff und Lichtmaschine montiert – nach 2 Stunden konnten wir heimfahren. Starter u. undichte Kopfdichtung konnten noch länger warten, zunächst war jetzt unsere Erholung dringender.
Ja, wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen. Das taten wir dann auch ausführlich, bei ein paar Gläschen von unserem mitgebrachten Wein.
Dass diese Reise einmalig blieb lag daran, dass Franz sich in ein sehr nettes Mädchen verliebte. Ihre Eltern und auch der Bruder waren strickt gegen diese nicht ganz einfache Verbindung. Sie hatte nur zwei Stunden pro Woche, wo sie nicht kontrolliert werden konnte. (beim Umsteigen zwischen zwei Zügen). Diese Zeit nutzten wir und ich brachte Franz jeden Freitagnachmittag zum Geheimtreff. Ihre Liebe war so groß, dass sie sich gegen alle Widerstände durchsetzten, sie heirateten und bekamen Kinder. Franz das hast du gut gemacht!!!!
Am 1. Februar 2011 starb Franz im Alter von 78 Jahren. Als ich das erfuhr kamen mir die schönen Erinnerungen von damals wieder in den Sinn. Diesen Beitrag widme ich daher seiner Witwe und seinen Söhnen.
Ich selber verliebte mich auch. Mein nächster Kroatienurlaub war 1967 (Camping in Rijeka) mit meiner damaligen Freundin (heutigen Frau). Wir sind seit 1969 verheiratet.
Ich hoffe dieser Bericht ist nicht zu langatmig und gefällt einigen von euch Kroatienliebhabern.
Liebe Grüße von Hannes
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