Wie vor hundert Jahren: In der Posavina

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perovuk

Guest
Danke Elke
Sehr schön, auch solche Art "Reisebericht" kann Spass machen, zumal noch mit passender Musik unterlegt.
Peter
 
E

ELMA

Guest
Der Bericht zur Diashow:

Nachdem wir uns in Cigoc gründlich umgeschaut hatten, dieGewohnheiten der Störche lange beobachtet, die Schweinehirten auf den Weiden hinter dem Deich besucht hatten, wollten wir uns auch noch die andern Dörfer im Lonjsko Polje anschauen, von denen keines mehr als 200 Einwohner hat.

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Wer Lust hat, kann die 30 km bis nach Krapje und zurück mit dem Fahrrad zurücklegen. Das ist eigentlich kein Problem, die kleine Straße ist wenig befahren und ohne Steigungen.
Es empfiehlt sich, ausreichend Getränke mitzunehmen – wir haben auf der ganzen Strecke ( nur in Mužilovčica) eine einzige Einkehrmöglichkeit entdeckt.

Wir wählten einen etwas bequemeren Weg und rollten gemächlich auf unserem Motorrad von einem Dorf zum anderen bis nach Krapje.

Blick auf die Save

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Im Mai 2011 führte sie wenig Wasser und man kann sich kaum vorstellen, dass der Pegel im Herbst und im Frühjahr ganz schnell um viele Meter ansteigen kann.
( Zum Thema Hochwasserschutz siehe hier)

Krapje ist ein mehrere Kilometer langes Straßendorf. Die Häuser stehen alle auf einer Straßenseite gegenüber dem großen Damm.

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Am südlichen Ende des Dorfes befindet sich das Informationszentrum und die Parkverwaltung des Naturparks Lonjsko Polje.

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Krapje hat seinen Namen von Krap = Karpfen.

Das Fischen, vor allem der Fang von Karpfen ist für die ländliche Bevölkerung dieser kleinen Dörfer nach wie vor eine wesentliche Einkommensquelle.

Krapje hatte für die Habsburger eine nicht unwichtige Bedeutung. Das Dorf war Grenzort zu einer Region , die immer wieder mit türkischen Überfällen zu rechnen hatte. Es wurde ein Teil der Austro-ungarischen Militärgrenze und blieb es jahrzehntelang.
Hohe Wachttürme aus Holz wurden errichtet , alle männlichen Bewohner von Krapje mussten die Grenze verteidigen, und das Dorf genoss deshalb Vorteile bei der Bemessung von Steuern und Abgaben.

Im Jahr 1932 wurde das Dorf von einer Brandkatastrophe heimgesucht. Viele Bewohner verließen den Ort. Nicht wenige Häuser wurden jedoch wieder in traditioneller Weise aufgebaut.

Auch nach dem zweiten Weltkrieg und nach dem Krieg Ende des letzten Jahrhunderts nahm die Bevölkerung immer weiter ab. Nur wenige junge Leute sehen in der traditionellen Landwirtschaft in der Posavina noch eine Zukunft. Heute hat Krapje noch ca 180 Einwohner.

Ganz zaghaft beginnt sich jetzt der Tourismus im Lonjsko Polje zu entwickeln.
Aber noch immer scheint die Gegend ein Geheimtipp zu sein.

Im Gegensatz zu anderen Naturattraktionen Kroatiens liegt das Lonjsko Polje etwas abgelegen (ca 90 km südöstlich von Zagreb) und es ist nicht so einfach nur auf der Durchreise ans Meer zu besuchen.
(Wir hatten jedoch kein Problem, in Jasenovac die Grenze nach BiH zu überqueren und dann quer durch BiH über Banja Luka und Mostar an die süddalmatinische Küste zu kommen)

Das Dorf Čigoć wurde zum „Europäischen Storchendorf“ gekürt und Krapje erhielt den Titel „Architektur- Denkmal – Dorf“


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Das Dorf sieht aus wie ein großes Freilandmuseum – ist es aber nicht.

Es gab Häuser, die sehr schön restauriert waren, aber auch solche, wo man zunächst glaubte, sie seien unbewohnt- sie waren es aber oft nicht.

Weiße Gardinen flatterten an den kleinen Fenstern der Holzhäuser, Rosen schmückten die Gärten, in den Höfen tummelten sich Hühner, Gänse und Enten, zumeist betagte Bewohner machten sich in den üppig bepflanzten Hausgärten zu schaffen und wie in Cigoc klapperten auch in Krapje auf vielen Dächern Störche.

Ich kam mir vor wie zurückversetzt in eine Zeit vor 100 Jahren.

Bilder von einem Spaziergang durch das kilometerlange Dorf.

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Prodaje se- zu verkaufen

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Ein altes unbewohntes neben einem renovierten Haus ( sogar mit Holzklappläden)

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Hier kann man sich in einer Art „Ferien auf dem Bauernhof“ einquartieren – zaghafte Versuche, den Fremdenverkehr anzukurbeln.

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Die Kirche von Krapje –Sv Antun Padovanski , erbaut 1831, auf der Seite noch immer mit Einschusslöchern vom letzten Krieg gekennzeichnet.

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Auf der Rückfahrt nach Cigoc

Die Dörfer mit ihren Holzhäusern machen alle einen ähnlichen Eindruck.
Man könnte in jedem der kleinen Dörfer stehenbleiben, betrachten und viel fotografieren.

Ein halb verfallenes Gehöft mit Ziehbrunnen und Stochennest im Dorf Suvoj

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In Kratečko ( ca 180 EW) gibt es eine Kirche (Sv Roka, 1874), eine Post, einen kleinen Laden und ein altes Feuerwehrhaus, sowie etliche alte Holzhäuser.

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Sehr gut hat es mir in dem Ort mit dem Namen gefallen, den ich trotz hundertfachem Üben einfach nicht korrekt aussprechen kann:
Mužilovčica

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Mužilovčica liegt an einem von der Save abgeschnittenen Altwasser.
Im Gestrüpp auf der gegenüberliegenden Seite tummelten sich, im Schilf versteckt und daher kaum zu erkennen, Graureiher und Silberreiher.

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Mužilovčica ist ein recht gepflegter Ort.

Hier fanden wir auch dieses „Seoski turizam“ , wo wir uns mit Cafe und hausgemachtem Nusskuchen verwöhnen ließen.

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Das ganze Anwesen der Familie Ravlic ist auf Gäste eingerichtet – bietet Übernachtung und auch Reiterferien.
www.obitelj-ravlic.hr

Der junge Besitzer führte uns durchs Haus und erzählte uns stolz , wie er dieses traditionelle Haus seiner Eltern nach und nach restauriert hat und nun versucht, mit Tourismus sich und seiner Familie eine Existenz aufzubauen.

Die Räume für die Gäste sind wie in einem Museum.

In diesen Räumen kann man übernachten.

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Man braucht keine Sorge zu haben- für den Gang aufs Örtchen muss man nicht mehr den Hof überqueren – das Haus ist saniert und mit elektrischem Strom, aber auch mit modernen sanitären Einrichtungen ausgestattet ( ähnlich wie das http://www.tradicije-cigoc.hr/indexEN.php?action=restoran]Tradicije Cigoc[/url], wo wir für einige Tage auf der Campingwiese standen)

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Ein Truhe mit wertvollen Trachten

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In Mužilovčica entdeckte ich unter einem Vordach eine riesige Ansammlung von Schwalbennestern.

Die jungen Mehlschwalben waren schon geschlüpft.
Den Vogeleltern gefiel es gar nicht, dass ich mich mit dem Foto auf die Lauer legte- sie stellten das Füttern ein. Deshalb machte ich nur wenige Fotos und verließ dann ganz schnell den Platz.

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Von Mužilovčica aus geht der Weg zu dem Damm, hinter dem die große Weide und der Wald mit den Schweinen ist, von dem ich hier berichtet habe.

Noch ein Blick auf den Altwasserarm direkt neben der Straße.

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ELMA

Zusammenfassung:
Links zu meinen drei Berichten über unsere Reise Anfang Juni 2011 ins Lonjsko Polje
http://www.adriaforum.com/kroatien/ein-besuch-im-storchendorf-igo-naturpark-lonjsko-polje-t66866/
http://www.adriaforum.com/kroatien/bildbericht-im-naturpark-lonjsko-polje-t66919/
http://www.adriaforum.com/kroatien/wie-vor-hundert-jahren-der-posavina-t66944/
 
F

Franto

Guest
Auch ich habe diesen Bericht erst heute entdeckt:) Schöne Fotos wieder, deren Qualität mich neidisch werden läßt.
Ich war zwar 1996 in dieser Gegend - allerdings mit ganz anderer Zielsetzung nach dem Krieg;-)

Was mich an den Häusern neugierig macht ist deren einheitliche Architektur und Siedlungstruktur, die sehr stark uralten Häusern aus Holz und gleichen Dachformen, sogar ein Krüppelwalmdach ist erkennbar, in den südlichen Alpenregionen, etwa in der Steiermark und Kärnten, ähnelt. Könnte sein, dass es sich um die vom Wiener Hofkriegsrat für die dortige Gegend der k.k. Militärgrenze vorgegebene Bauweise handelt?
Vielleicht findet sich hier jemand, der darüber nähere historische Auskunft geben kann.:)
 
E

ELMA

Guest
Hallo Franto!

Was Du bei der Architektur der Häuser feststellst, fiel mir ähnlich bei den Kirchen auf.
In Krapje und Kratečko ( Bilder s.o.) , aber auch in Lonja stehen Kirchen, die genauso in Slowenien, oder in der Steiermark oder im Osten an der Donau stehen könnten.

Der kulturelle Einfluss der Habsburger ist unübersehbar. Sie bestimmten ja über Jahrhunderte das Leben in der Region- aber das weißt Du sicher besser als ich . Ich weiß nicht, ob da vielleicht auch Bauern aus dem Habsburger Kerngebiet in der Posavina angesiedelt wurden, die dann die Bautradition mitgebracht haben, oder ob das Vorschriften aus Wien waren.

Wenn ich mal wieder dorthinkomme ( und ich möche es)... werde ich versuchen, mehr über die traditionelle Architektur herauszubekommen.
Auf jeden Fall ist das Baumaterial für die Häuser - die stabilen Eichenbalken aus den Wäldern der Region - unübertroffen haltbar.
Und die Einteilung vieler Häuser, unten Vieh und Ställe, oben Wohnräume ( Zugang über Außentreppen) ist logisch, wenn man an die Hochwassergefahr denkt. ( Ich habe es hier im Beitrag über die Störche schon mal beschrieben.)

Heute werden alte, nicht mehr bewohnbare Häuser teilweise Balken für Balken nummeriert und an anderer Stelle unter Einhaltung strenger Vorlagen wieder aufgebaut ( s. Tradicije Cigoc)
Natürlich gibt es in den Dörfer auch etliche hässliche Bausünden - aber mir kam es so vor, als wären sich Bewohner zunehmend bewusst, welch kulturellen Schatz sie besitzen. Und zum Glück gab es im letzten Krieg in den Dörfern keine nennenswerten Zerstörungen.

Ich hoffe nur, dass aus den Dörfern keine Freilichtmuseen gemacht werden!

Noch muss man in der Dörfern keinen Eintritt bezahlen.
( Was der Eintritt in den NP kostet, habe ich leider vergessen. Es wird nicht kontrolliert, aber wir haben ihn gerne bezahlt, weil wir die Arbeit der Ranger unterstützen möchte)

Gruß,
ELMA
 
F

Franto

Guest
Servus ELMA,
weil heute in Wien regnerisch-kaltes Wetter ist, habe ich nach dem Lesen Deines Beitrags auch nachgelesen, was im "Kronprinzenwerk" aus 1889 *) zu meiner Vermutung zu dem Gebiet zu lesen steht, wurde aber nicht viel klüger.
Lustig aber ist, wie ganz unterschiedlich die Sumpflandschaft damals und mit den heutigen Wohlstands-Westleraugen wie Deinen :) gesehen wird: "Lonjsko polje könnte der fruchbarste und glücklichste Strich im ganzen Lande sein, würde man die erforderlichen Trockenlegungen dieses fieberreichen und höchst ungesunden Sumpfgebietes vornehmen. Vor Jahren wollte eine französische Aktiengesellschaft dieses 1000 km^2 große Sumpfland der Cultur gewinnen, doch die Unterhandlungen zerschlugen sich infolge der volkswirthschaftlichen Unklugheit gewisser Parteiführer in Kroatien". :)

*) Als das "Kronprinzenwerk" wird eine von Kronprinz Rudolf angeregte umfassende Beschreibung der habsburgischen und ungarischen Länder der Monarchie bezeichnet. Dieses Monumentalwerk umfasste 19 Bände, für jedes Kronland, Königreich und Herzogtum der Monarchie samt einem umfangreichen statistischen Anhang. Verfasst von etwa zwei Dutzend Autoren erschienen die Bände über drei Jahre hindurch noch nach dem Selbstmord des Thronfolgers. Politisch ist es auch aus kritisch-heutiger Sicht national neutral. Im Buch über Kroatien-Slavonien sind Sympathien für die Serben ebenso erkenntlich wie eine distanzierende Formulierung gegenüber der kroatischen "Erweckungsbewegung" des Bischofs Stroßmayer
 
E

ELMA

Guest
Franto - wenn du schon beim Recherchieren bist:
Wann wurden diese kilometerlangen Deiche und Dämme gebaut, die heute das Hochwasser der Sawe so gut regulieren??? Wer hat dieses Riesenbauwerk veranlasst?

Ich konnte es nirgendwo erfahren - aber das System mit diesen gezielt belassenen Überschwemmungsflächen imponiert mir.

Gruß,
Elke
 

claus-juergen

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Landkreis Augsburg und Liznjan/Istrien
hallo elke,

vielen dank für deinen bericht einer gegend, die nicht unbedingt zu den bekannten touristengebieten kroatiens zählt. was uns so romantisch vorkommt, ist für die wenigen verbliebenen einheimischen vermutlich ein hartes los. das überleben bei wahrscheinlich so geringem einkommen ist sicherlich nicht einfach. mal sehen, was die zukunft für die letzten bewohner bringen wird. oftmals bleiben nur noch die alten, weil die jugend keine wirtschaftlichen perspektiven hat.

ein "lebendes museum", d. h. erhalt der bausubstanz und erwerbsmöglichkeiten für die ansässige bevölkerung um den wegzug zu verhindern, das wärs.

grüsse

jürgen
 
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